Wenn Komponisten Denkmäler setzen: Daniel Hope und das ZKO eröffnen die neue Saison mit Werken, die durch grosse Idole inspiriert wurden und schliesslich selbst in die Geschichte eingingen.
Die neue Reihe «Hope and Friends» eröffnet die Spielzeit 2019/20 des ZKO und stellt grosse Komponisten in den Fokus. Und es ist logisch, dass der Geiger Daniel Hope zunächst einmal mit seinen wohl besten Freunden in Zürich auftreten wird: den Musikerinnen und Musikern des Zürcher Kammerorchesters. «Den Weg, den wir in den letzten drei Jahren zusammen gegangen sind, war ein einziges grossartiges Abenteuer», sagt Hope. «Ein gemeinsames Zuhören, Suchen, Spielen – wir haben unterschiedliche Konzertformen und -formate ausprobiert und uns immer wieder gefragt, wie man bekannte Musik in neuen Kontexten hören kann.» Für das erste gemeinsame Konzert der Saison haben Hope und das ZKO nun ein Repertoire ausgesucht, in dem es vor allen Dingen um grosse musikalische Vorbilder geht.
Ein Name, der seinen langen Schatten über dieses Konzert wirft, ist Johann Sebastian Bach. Kaum ein anderer Komponist hat so viele Komponistengenerationen bis heute inspiriert wie er. Seine musikhistorische Strahlkraft wirkte sowohl auf Wolfgang Amadeus Mozart als auch auf Felix Mendelssohn.
In Wien erlebte Mozart, wie Baron Gottfried van Swieten als österreichischer Botschafter aus Berlin zurückkehrte. Im Gepäck hatte er die Musik vom Hofe Friedrichs des Grossen, die in Österreich zu einer Modeerscheinung werden sollte. Besonders die Werke der Bach-Brüder Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann hatten es dem Baron angetan, der seine Noten gern mit Mozart teilte. Die beiden Komponisten haben die typische Berliner Tradition begründet, ein Adagio mit einer Fuge zu verbinden. Mozart variierte diesen preussischen Stil mit den Mitteln seiner eigenen Kreativität. Dabei griff er auf eine eigene Klavierfuge zurück und mischte im Adagio die Bachsche Form mit seiner individuellen, fast tollkühnen, modernen Inspiration.
Für Felix Mendelssohn war Johann Sebastian Bach schon als Kind ein Idol. Er hörte Bachs d-Moll-Konzerte und verliebte sich in diese Tonart, in der er auch sein Violinkonzert mit nur 13 Jahren komponierte. Doch nicht nur Bach inspirierte den jungen Mendelssohn, sondern auch sein Geigenlehrer Eduard Reitz. Er war eine tragende Säule der legendären «Sonntagsmusiken» im Hause der Familie Mendelssohn in Berlin. Diese Sonntagsmusiken fanden übrigens an jener Stelle stattfanden, wo heute das Haus des Bundesrates steht. Reitz galt als einer der wichtigsten Violinvirtuosen seiner Zeit, bis er mit nur 29 Jahren verstarb. Mendelssohn setzte seinem Lehrer mit dem frühen Violinkonzert ein Denkmal.
«Rutter jongliert genauso mit barocken und klassischen Elementen wie mit dem Jazz.»
Der 1945 in London geborene Komponist John Rutter schaut ebenfalls gern zurück in der Musikgeschichte. Gleichzeitig greift er jene Klänge aus unserer Zeit heraus, die ihn begeistern. Mit seiner postmodernen Methode jongliert er genauso mit barocken und klassischen Elementen wie mit dem Jazz. Rutter, der unter anderem die Cambridge Singers gegründet hat und einer der wichtigsten Chor- und Kirchenmusiker Englands ist, hat für Daniel Hopes CD-Aufnahme «Spheres» bereits Gabriel Faurés «Cantique de Jean Racine» arrangiert. Nun erklingt seine Suite für Streichorchester, in deren Zentrum die Spurensuche des Komponisten in der britischen Volksmusik steht.
Den Abschluss des Eröffnungskonzerts macht ein weiterer Rückblick in die Musikgeschichte. Als Piotr Iljitsch Tschaikowsky von seinem Verleger Jürgensohn eine Gesamtausgabe der Werke Mozarts zu Weihnachten geschenkt bekam, bedankte er sich mit den Worten: «Ich hätte mir kein schöneres Geschenk wünschen können, denn Mozart ist mein Gott.» Und so ist sehr viel von Mozarts Ideen auch in Tschaikowskys Streicherserenade zu hören, die er in einem seiner glücklichsten Jahre, 1880, nach einem Landaufenthalt in der Ukraine komponierte, ebenso wie
sein 2. Klavierkonzert und das «Capriccio Italien». Die Serenade, die nicht nur durch die Musik Mozarts, sondern auch durch volksmusikalische Elemente inspiriert ist, lässt eine unendliche Lebensfreude hören – und ist eine weitere Hommage an ein musikalisches Vorbild und die Klänge der Heimat. ab
Diesen und weitere spannende Beiträge rund um unsere Konzerte lesen Sie auch im aktuellen OPUS.