Pierre-Laurent Aimard spielt neben Beethovens bekannter Sonate «Appassionata» und Schuberts «Fantasie»-Sonate in G-Dur Werke des Neutöners György Kurtàg. Einmal quer durch die Musikgeschichte also. Wie Vergangenheit und Gegenwart aufeinander einwirken, darüber spricht der Pianist im Interview.
«Musiker sollten eine Haltung einnehmen: zum Barock,zur Romantik, zum Jetzt.»
Pierre-Laurent Aimard, was reizt Sie an der Gegenüberstellung von älteren und neueren Werken? Um uns der aktuellen Situation, der gegenwärtigen Mode, bewusst zu werden, haben wir als Musiker die wunderbare Möglichkeit, auf die vergangenen Moden zu schauen – sie sind das Fixum, der Orientierungspunkt unserer eigenen Weltwahrnehmung. Wir können einen Ausblickspunkt einnehmen, der sich bewegt, und von dem aus wir immer wieder neu auf die Schöpfungen der Geschichte schauen können, um uns selbst zu erkennen.
Gibt es so etwas wie einen modernen Klang also nur in Abhängigkeit von der Vergangenheit? Wenn es so etwas wie einen modernen Klang gibt, dann entsteht er kurzfristig im Moment des Musizierens und nur daraus, dass wir das Jetzt mit dem Vergangenen abgleichen.
Das heisst, Sie sind als Musiker eigentlich ein Historiker, der die Vergangenheit nach den heute wichtigen Parametern befragt? Es ist unsere Aufgabe, eine Verbindung mit dem Schöpfer, also dem Komponisten, aufzunehmen. Und dazu müssen wir erst einmal nach der Mode des Schöpfers fragen, nach seiner Haltung in seiner Zeit: War er ein Revolutionär oder ein Biedermann? Wie stand er in seiner Gegenwart? Was wir dabei herausfinden, beeinflusst die moderne Interpretation.
Sie reden von den Komponisten als Schöpfer. Aber ist der Interpret nicht selbst auch ein Schöpfer, der die Partitur durch sein Spiel erst zum Leben erweckt? Als Interpreten bilden wir ein nicht unwichtiges Element in der historischen Kette. Wir beschäftigen uns mit Kunstwerken und musikalischen Strukturen, die irgendjemand irgendwann einmal aus dem Geist seiner Zeit heraus erfunden hat. Daraus dürfen wir aber keine wissenschaftliche Hierarchie machen. Wir sollten weder demütig vor dem Komponisten knien noch uns der Arroganz des Interpreten hingeben. Letztlich beleben wir die abstrakt fixierten Momente der Geschichte, die Partituren, einfach nur physisch mit Klängen. Dabei müssen wir uns wohl oder übel mit der dazwischenliegenden Zeitdimension beschäftigen. Musiker sollten eine Haltung einnehmen: eine Haltung zum Barock, zur Romantik und zur neutönenden Kunst, und dadurch auch eine Haltung zum Jetzt.
Das ganze Interview lesen Sie im aktuellen OPUS.