Neben einer CD-Aufnahme hatte das Zürcher Kammerorchester in den vergangenen Monaten viele Auftritte im Ausland – ein Konzertmarathon, könnte man sagen, wobei ein Orchestermitglied diesen Ausdruck wörtlich nahm …

Eine Hafenstadt am Schwarzen Meer, ein idyllischer Gutshof im Norden Deutschlands oder eine pulsierende europäische Metropole – was nach einer Auflistung von Reisezielen klingt, stand im Sommer auf dem Tourneeplan des Zürcher Kammerorchesters.

Klassik trifft Meeresrauschen

Bereits im Juni hiess es das erste Mal Kofferpacken für ein Festival, das in mancherlei Hinsicht aussergewöhnlich ist: Odessa Classics. Der Pianist Alexey Botvinov gründete das Festival im Jahr 2015, als der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine entflammte. Er wollte dem Krieg mit Musik etwas entgegenhalten und lud Weltgrössen der klassischen Musik in die Hafenstadt. Da Künstler aus dem Ausland in der jüngeren Vergangenheit rar waren, kamen die Klassikliebhaber bald in Scharen und sorgen seither mit ihrer besonderen Aufmerksamkeit für eine einzigartige Festivalstimmung, die auch das ZKO bei seinem Besuch spürte. Neben zwei Auftritten im Opernhaus und in der Philharmonie bleibt vor allem das Open-Air-Konzert bei der Potemkinschen Treppe in Erinnerung. Etwa 12 000 Besucherinnen und Besucher sassen auf den 192 Stufen, die vom Hafen nach oben zur Innenstadt führen. Unten, am Fuss der Treppe, spielten – vor dem Hintergrund des Meeres – das Zürcher Kammerorchester und Music Director Daniel Hope. Ein unvergessliches Spektakel.

Lauf, Martin, lauf
Martin Ackermann © Odessa Marathon

Ein Bläser aus dem Orchester zeigte in Odessa nicht nur musikalische, sondern auch sportliche Höchstleistungen. Zwei Tage vor Abflug in die Ukraine hatte Hornist Martin Ackermann im Internet mögliche Aktivitäten für seinen freien Tag recherchiert und dabei den Odesser Ultramarathon entdeckt. Zwischen Proben und Auftritten schnallte sich der passionierte Hobbyläufer mal eben seine Turnschuhe an die Füsse und rannte los. «Die meisten Teilnehmer sind die halbe Strecke gelaufen, aber ich liebe die Herausforderung», sagt Martin, der die vollen 68 Kilometer in 8 Stunden und 6 Minuten bewältigte. Damit belegte er den 6. Platz von insgesamt 60 Teilnehmern.

Ausdauer ist keine schlechte Eigenschaft für ein Orchestermitglied. Alle Musikerinnen und Musiker bewiesen sie in den folgenden Sommerwochen, in denen nicht nur Konzerte in Zürich, sondern auch weitere Tourneen auf dem Programm standen. Ende Juni gestalteten das Orchester und Daniel Hope in der Kölner Philharmonie ein Programm rund um die «Vier Jahreszeiten», welches mit Standing Ovations gefeiert wurde. «Wie lebendig Hope als Solist mit dem Konzertmeister und den Stimmführern aufspielte, das versprühte Lebenslust», schrieb Olaf Weiden in der «Kölnischen Rundschau».

Applaus und Pferdewiehern
SHMF

Weiter ging es Anfang Juli in den hohen Norden Deutschlands zum renommierten Schleswig-Holstein Musik Festival. Mit dem Programm «Bach and Friends» steuerten die Musiker einen vielseitigen und dynamischen Teil zum dortigen Komponistenschwerpunkt bei. Ein besonderes Highlight war dabei das Konzert in Elmshorn, das in einer Reithalle direkt neben den voll besetzten Pferdeställen stattfand. Zwischen den einzelnen Sätzen von Telemann, Albinoni oder Geminiani waren somit nicht nur wohlwollende Äusserungen des Publikums, sondern auch emphatisches Wiehern der Pferde zu vernehmen. Auf dem Gutshof in Wotersen wurde das Orchester backstage von den selbst gebackenen Köstlichkeiten der ehrenamtlichen Festivalhelfer überrascht. Zusammen mit Pianist Sebastian Knauer und Vibraphonspieler Pascal Schumacher konzertierte das ZKO hier mit dem preisgekrönten «ÜberBach»-Programm.

Nach der ländlichen Idylle des Nordens begab sich das Orchester zu den Internationalen Gluck-Festspielen in Nürnberg. Im August und September folgten das Citadel Music Festival in Berlin und das südtirol festival merano . meran.

Aufnahme läuft

Man möchte vermuten, dass die Spielfreude des ZKO durch diesen Konzertmarathon erschöpft gewesen sein muss. Doch allen Befürchtungen zum Trotz begab sich das Orchester im Juli mit grösstem Enthusiasmus in das geschichtsträchtige Teldex-Studio in Berlin, um drei Tage lang Aufnahmen für das neue Album von Daniel Hope zu produzieren, das im Frühjahr 2020 bei der Deutschen Grammophon erscheinen wird. So schnell, wie der Sommer jeweils wieder verfliegt, so bleibt uns also doch ein Stück davon auf CD gebrannt erhalten. sp/ls

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