Eine Verfilmung über Zwinglis Zürcher Jahre zieht seit Mitte Januar die Kinobesucher in ihren Bann. Für die emotionale Wirkung der Geschichte ist auch das Zürcher Kammerorchester verantwortlich – es hat die Filmmusik des mehrfach preisgekrönten Komponisten-Trios Diego Baldenweg mit Nora Baldenweg und Lionel Baldenweg eingespielt.

Bitte in den oberen Stockwerken nicht in hohen Absätzen herumstolzieren, keine Stühle verschieben und – vor allem – nicht die Kaffeemaschine im Foyer bedienen! Ende Oktober 2018 herrschen andere Regeln im ZKO-Haus. Wer einen Blick in den Saal wirft, sieht gleich weshalb: Dort sitzt das Orchester nämlich mucksmäuschenstill zwischen unzähligen Kabeln und Mikrofonständern und wartet auf das «Go» des Dirigenten. Auf sein Zeichen hin beginnen die Flöten mit einer ebenso einfachen wie schönen Melodie, zu der sich nach und nach weitere Instrumentengruppen dazugesellen, um schliesslich wieder zu verklingen. Es ist eine von vielen Melodien, die vereint die Filmmusik zum Zwingli-Film bilden. Der grosse Reformator löste mit seinen Ideen in Zürich beinahe einen Bürgerkrieg aus – und auch sein Privatleben steckte voller Turbulenzen, wie die Liebesgeschichte mit Anna Reinhart zeigt. Bei den Filmmusik-Aufnahmen im ZKO-Haus kann man die unterschiedlichen Gefühle, die im Film zum Ausdruck kommen, bereits erahnen. Das soll auch so sein, denn «Filmmusik lebt schliesslich von grossen Emotionen», so der Dirigent André Bellmont.

Bitte stillsitzen
Der Dirigent sowie der Konzertmeister Willi Zimmermann sind die Einzigen, die bei den Aufnahmen ihren Blick sowohl auf die Partitur als auch auf die dazugehörige Filmszene gerichtet haben. So können sie stets überprüfen, ob Ton und Bild zusammenpassen. Die anderen Musiker konzentrieren sich lediglich auf die Noten und auf die Klicktöne in den Kopfhörern, die ihnen beim Spielen den Rhythmus vorgeben. Genauso wichtig wie Präzision ist aber auch, keine unnötigen Geräusche zu erzeugen. Eine Herausforderung, meint Anna Tchinaeva: «Das Stillsitzen in den Spielpausen fällt uns schwer – da sind wir halt wie kleine Kinder», witzelt die Violinistin. Glücklicherweise lassen sich die einzelnen Abschnitte beliebig oft wiederholen, wobei manchmal bis zu zehn sogenannte Takes nötig sind.

Im Cockpit
Wann ein Stück schliesslich im Kasten ist, bestimmen die Komponisten Diego, Nora und Lionel Baldenweg aka GREAT GARBO, die als Werbe- und Filmkomponisten grosse Erfolge feiern. Gemeinsam mit zwei Assistenten und einem Tonmeister haben sich die Geschwister während den Aufnahmen in der Musikergarderobe eine Art Kommandozentrale eingerichtet, in der sie das Orchester via Kopfhörer hören können. Die Konzentration im engen Raum ist beinahe mit Händen greifbar. Während die Aufnahme läuft, beugen sich die drei Komponisten gebannt über die Partitur, verfolgen das Fortschreiten der Musik und markieren jeden Ton, der noch verbessert werden muss. Via Mikrofon können sie das Orchester dann auf die entsprechenden Stellen aufmerksam machen. «Das Crescendo bitte kontinuierlicher aufbauen», heisst es dann, oder: «Stellt euch ab Takt 32 eine Spirale vor, die immer tiefer und dunkler wird.»

Reise in die Vergangenheit
Welche Nuancen auch immer gewünscht sind – das Orchester setzt diese rasch und zielsicher um. «Wir spüren eine unglaublich grosse Motivation», freut sich Komponist Diego Baldenweg. Gemeinsam nähert man sich so Stück für Stück dem Soundtrack, der die Kinobesucher in eine längst vergangene Zeit entführt. In die Zeit der Reformation, als alte Glaubenssätze über den Haufen geworfen wurden, gesellschaftliche Unruhen an der Tagesordnung waren und natürlich – wie zu allen Zeiten – auch Liebesgeschichten geschrieben wurden. «Wir möchten mit unseren Kompositionen eine Brücke schlagen und einen emotionalen Zugang zu den damaligen Ereignissen schaffen», erklärt Nora Baldenweg. Im Kino kann man sich derzeit davon überzeugen. sp

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ZUM FILM

Zürich im Jahr 1519. Die junge Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) lebt ein karges Leben zwischen Furcht vor der Kirche und Sorgen um die Zukunft ihrer drei Kinder, als die Ankunft eines Mannes in der Stadt für Aufruhr sorgt: Der junge Priester Huldrych Zwingli (Max Simonischek) tritt seine neue Stelle am Zürcher Grossmünster an und entfacht mit seinen Predigten gegen die Missstände der Katholischen Kirche heftige Diskussionen. Zwinglis revolutionäre Gedanken machen Anna Angst. Als sie aber beobachtet, wie Zwingli Nächstenliebe lebt und nicht nur predigt, gerät sie mehr und mehr in seinen Bann. Doch Zwinglis Erfolg wird rasch gefährlich. Seine Ideen lösen beinahe einen Bürgerkrieg aus, und gleichzeitig entbrennt im inneren Zirkel der Bewegung ein Kampf um Macht und Deutungshoheit. Als sich die katholischen Kräfte international zu formieren beginnen, wird die Beziehung von Zwingli und Anna auf eine harte Probe gestellt.

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