Daniel Hope, Lynn Harrell und Maxim Lando entdecken mit dem ZKO den experimentierfreudigen Ludwig van Beethoven.
Kammermusik ist für Komponisten, was für Maler das Skizzenbuch ist: ein kreativer Spielplatz, um neue Grenzen auszuloten. Gerade vor dem Hintergrund des Beethoven-Jubiläums im Jahr 2020 lohnt sich ein Blick auf die oft radikalen kammermusikalischen Werke des Meisters aus Bonn. Im Gegensatz zu Komponisten wie Mozart, dessen Handschriften wie aus einem Guss wirken, zeigen Beethovens Autografe seine akribische Arbeitsweise. Oft trug er einzelne Motive jahrelang in einem Notizbuch mit sich herum, bis er sie in einem seiner Werke verwendete. Die ursprüngliche Partitur überarbeitete er dann immer wieder, in unterschiedlichen Farben – bis ein Stück irgendwann abgeschlossen schien.
Diese Vorgehensweise lässt sich in Beethovens Kompositionen auch hören: Sie haben eine fast physische Kraft und hämmern an den Konventionen der Zeit. Das gilt besonders für Beethovens Grosse Fuge op. 133. Zeitgenossen nannten dieses Werk, das seine Zuhörer schlichtweg überforderte, «chinesisch». In einer Kritik hiess es: «Vielleicht wäre so manches nicht hingeschrieben worden, könnte der Meister seine eigenen Schöpfungen auch hören.» Als Konsequenz dieser Polemik schrieb Beethoven auf Anfrage seines Verlegers ein zugänglicheres Finale. Im 20. Jahrhundert schenkte man der Grossen Fuge dann endlich mehr Aufmerksamkeit, sodass sich ein Nachsatz des bereits zitierten Kritikers bestätigte. «Vielleicht kommt noch die Zeit, wo das, was uns beym ersten Blicke trüb und verworren erschien, klar und in wohlgefälligen Formen erkannt wird.»
Heute lässt sich die vierstimmige Fuge am besten entschlüsseln, wenn man sie in der Bearbeitung für Kammerorchester hört. Dann entfalten sich Beethovens Ideen zu fast sinfonischer Grösse. Es lässt sich verfolgen, wie die vier Themen nacheinander vorgestellt und dann in vier Einzelfugen – von hinten nach vorne – durchgeführt werden. Für Daniel Hope ist die Grosse Fuge, die nun vom ZKO gespielt wird, ein Meilenstein auf dem Weg in die sinfonische Moderne des 20. Jahrhunderts.
«Seit seinem Auftritt mit Lang Lang wird Maxim Lando in allen Konzertsälen der Welt gefeiert.»
Nach dieser Eröffnung wird Hope mit ganz besonderen musikalischen Freunden auf Spurensuche in Beethovens Schaffen gehen. Den jungen amerikanischen Pianisten Maxim Lando hat Hope schon von Kind auf gefördert, seither treffen sich ihre Wege regelmässig. Einer der bekanntesten Auftritte des Klavierspielers fand 2017 in der New Yorker Carnegie Hall statt. Damals übernahm Lando den Part der linken Klavierhand, die Lang Lang, der neben ihm auf dem Klavierschemel sass, verletzt hatte. Es war ein gemeinsames Konzert mit Chick Corea. Seither wird der Pianist auch als Solist in allen grossen Konzertsälen der Welt gefeiert. Ebenfalls eng verbunden ist Daniel Hope mit dem US-Cellisten Lynn Harrell, der auf einem Stradivari-Cello spielt, das einst Jaqueline du Pré gehörte.
«Die Genialität des ‹Geistertrios› liegt im Gegensatz der Schwermut des zweiten Satzes und der gelösten Stimmung des Finalsatzes.»
Gemeinsam gehen die drei Musiker das «Geistertrio» an, das Beethoven im Sommer 1808 komponiert hat, parallel zu seiner 5. und 6. Sinfonie. Der Dichter E.T.A. Hoffmann schwärmte damals vom romantischen Geist der Musik, den Beethoven in sich trage, «und mit welch hoher Genialität, mit welcher Besonnenheit er damit seine Werke belebt». Den Titel verdankt das Trio dem zweiten Satz, bei dem sich Beethoven-Schüler Carl Czerny an den Auftritt des Geistes am Anfang von Shakespeares Schauspiel «Hamlet» erinnert fühlte. Beethoven selbst stand wohl eher unter dem Einfluss einer Oper zu Shakespeares «Macbeth», über die er in jenen Jahren nachdachte. Die Genialität der Komposition liegt im Gegensatz der abgrundtiefen Schwermut des zweiten Satzes und der gelösten Stimmung des Finalsatzes.
Vier Jahre zuvor – Beethoven hatte gerade seine 3. Sinfonie abgeschlossen und arbeitete an der 5. Sinfonie sowie an seiner einzigen Oper «Fidelio» – war der Komponist noch etwas vorsichtiger. Als er sein Tripelkonzert in C-Dur schrieb, hielt er sich weitgehend an den Traditionen fest. Dabei setzte er das Cello aber so prominent in Szene, dass dieses Werk fast an ein Cellokonzert erinnert. Daniel Hope und seine Freunde werden auch dies hören lassen. ab
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