Emmanuel Pahud ist einer der erfolgreichsten Flötisten der Welt. Mit dem ZKO verbindet den Schweizer, der heute bei den Berliner Philharmonikern spielt, eine lange Geschichte  – nun kehrt er mit Werken von Mozart und Pleyel nach Zürich zurück.

«Musik ist eine Vision dessen, was die Menschen erhoffen. In Pleyels Zeit waren das die Ruhe und die klare Form.»
Emmanuel Pahud

Emmanuel Pahud, Sie werden Werke von Mozart und Pleyel mit dem ZKO spielen. Wie kam es zu dieser Auswahl? Mozart gilt ja als Superstar der Klassik, aber mich interessiert genauso, was seine Zeitgenossen getrieben haben, von denen viele leider in Vergessenheit geraten sind. Komponisten wie Ignaz Pleyel haben das Musikleben ihrer Zeit grundlegend mitgestaltet – und es ist spannend, ihr Leben und Werk neu zu entdecken.

Pleyel ist besonders als Klavierbauer und als Verleger bekannt, nach ihm ist ein Pariser Konzertsaal benannt – was waren seine Verdienste als Komponist? Pleyels Biografie ist äusserst spannend: Er wurde in Niederösterreich in arme Verhältnisse geboren und schon als Kind gefördert. Graf Erdödy wurde sein Gönner und hat ihm unter anderem Unterricht bei Joseph Haydn finanziert. Haydn hat sofort das grosse Talent Pleyels erkannt. Später haben die beiden gemeinsam in London gearbeitet – und Pleyel ist sehr erfolgreich geworden.

… und er ist mitten in der Französischen Revolution aus London nach Paris gezogen.
Ja, er war ein Mann, der Interesse an den Umbrüchen seiner Zeit hatte. Pleyel hatte zuvor schon in Strassburg gelebt – und Paris wurde seine Wahlheimat.

In der es ihm aber nicht immer gut erging. Angeblich soll er als Österreicher – und damit
als Feind der Französischen Revolution – eingesperrt worden sein und sich mit dem Komponieren von Revolutionshymnen freigekauft haben. So besagt es die Legende. Sicher ist, dass er bereits 1790, als in Strassburg die neue Verfassung proklamiert wurde, eine «Hymne à la Liberté» komponiert hat. Er war der Revolution gegenüber also durchaus aufgeschlossen und hat als Klavierbauer und Verleger von ihr profitiert.

Ist seine Musik auch revolutionär?
Überhaupt nicht! Pleyel war ein sehr begabter Musiker, der die Errungenschaften der Klassik perfekt in Szene gesetzt hat. Seine Musik ist ausgeglichen, sehr geordnet und der Form verpflichtet. Diese Tugenden lassen sich auch in seinem Flötenkonzert erkennen: Da ist die grosse Einleitung durch das Orchester und der ausgetüftelte Dialog mit dem Soloinstrument. Alles klingt nach Mozart und ist doch irgendwie anders. Das Konzert existiert auch in Fassungen für Klarinette und Cello – es war sicherlich kein Gelegenheitswerk, sondern ein Stück, an dem Pleyel lange gearbeitet hat. Für mich ist es ein Meisterwerk der vollendeten klassischen Form.

Wie kommt es, dass viele Musiker gerade in den Wirren der Revolution so konventionelle Musik geschrieben haben? Ich finde es schwer, die Arbeit von Komponisten im Nachhinein psychologisch zu erklären. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Menschen sich in Zeiten des Umbruchs Sicherheit wünschen – und ein Stückchen dieser Sicherheit haben sie sicherlich in den Konventionen der klassischen Form gefunden. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass die Musik nicht nur die Realität abbildet, die uns umgibt, sondern immer auch eine Vision dessen ist, was die Menschen erhoffen. Und das waren in Pleyels Zeit sicherlich die Ruhe und die klare Form.

Revolutionär war damals allerdings die Form des Solokonzerts …
Das ist richtig. Im Barock und in der frühen Klassik war die Musik hauptsächlich vom Hof geprägt. Auf den Programmen standen Ballette, Konzerte und später, mit Gluck, auch die Oper. Aber das Solokonzert, in dem sich ein einziges Instrument mit dem Orchester unterhält, gab es nicht. Es ist eine Erfindung der späteren Klassik, in der die alten Auftraggeber allmählich verschwanden und die Komponisten Musik für ein neues Publikum machen mussten. Plötzlich wurde in öffentlichen Konzerten musiziert, und nicht mehr nur für den Hof. Diese Umstände verlangten nach neuen Formen, und das Solokonzert, in dem sich ein Instrument exponiert, passte perfekt.

Das ganze Interview lesen Sie im aktuellen OPUS.

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