Die Schauspielerin Iris Berben steht gemeinsam mit Daniel Hope und dem ZKO auf der Bühne und liest Texte zu Werken von Mendelssohn, Klein und Schul. Hier beschreibt sie, was Musik für sie persönlich bedeutet, und was der Klang mit der Sprache zu tun hat.

Iris Berben (c) picture alliance dpa Horst Galuschka
Iris Berben © Horst Galuschka
Iris Berben, viele Musiker sagen, dass die Musik eine Sprache sei. Wie würden Sie als Schauspielerin diese Sprache beschreiben?

Die Sprache der Musik ist universell und grenzüberschreitend. Wir Schauspieler haben mit Worten zu tun. Und die sind in der Regel konkret: Ein Baum ist ein Baum oder das, was wir gelernt haben, uns unter einem Baum vorzustellen. Sprache ist also oft besetzt. Mir persönlich kommen die Worte inzwischen oft viel zu definiert vor, und in melancholischen Augenblicken wünsche ich mir, dass wir eine vollkommen neue Sprache erfinden könnten. Eine Sprache, in der die einzelnen Worte noch nicht durch die Geschichte, durch linguistischen Missbrauch, durch Ideologien oder Kontexte besetzt sind. Vielleicht ist die Musik genau diese Sprache. Musik lebt von Offenheit, ist frei von Dinglichkeit und bleibt immer assoziativ. Die Sprache der Musik versteht es, Gefühle zu umreissen: Sie kann laut oder aufgeregt wirken, melancholisch oder romantisch. Aber immer fordert sie vom Publikum ein neues Zuhören. Musik ist an sich immer ambivalent, und das gefällt mir sehr.

Welche Wege der Kommunikation eröffnen sich dadurch? Oder anders gefragt: Was ist in der Sprache der Musik möglich, was in der Sprache der Worte nicht möglich ist?

Ich beneide Musiker dafür, dass sie sich überall verständigen können. Worte sind an die jeweilige Landessprache gebunden. Wenn man kein Chinesisch kann, wird einem ein chinesisches Gedicht wenig sagen. Bei chinesischer Musik ist das anders. Zwar basiert sie auf anderen harmonischen Regeln als unsere Musik, aber sie erlaubt dem Zuhörer trotzdem einen ersten Zugang. Musik steht grundsätzlich jedem Menschen der Welt offen.

Leonard Bernstein leitet die Sprache aus der Musik ab: Wie ein Kind nach seiner «Ma-Ma» ruft, von oben nach unten oder von unten nach oben, lässt die Mutter sofort verstehen, ob das Kind fordert oder fragt.

Man sagt ja auch, dass die Musik den Ton macht, also den Ausdruck bestimmt. Tatsächlich erlebe ich das immer wieder, wenn ich Texte lernen muss. Es gibt Autoren, deren Texte rhythmisch und musikalisch gedacht sind. Das sind die Texte, die man am leichtesten lernt. Sie liegen einem beim Sprechen sofort richtig im Mund. Aber es gibt auch andere Texte, die nach Papier klingen und einen beim Sprechen stocken lassen. Solche Texte muss man sich durch eine Melodie erst einmal zu eigen machen. Überhaupt sind Melodie und Rhythmus für uns Schauspieler wesentliche Kategorien. Das zeigt sich beispielsweise beim Timing, eine der wichtigsten Komponenten im Film. Wie lange warte ich, bis ich antworte? Wann ziehe ich meine Augenbrauen hoch? Solche Fragen gehören zu den Grundlagen der Schauspielerei.

Frau Berben, Sie sind selber politisch sehr aktiv. Glauben Sie, dass die emotionale Kraft der Musik auch eine Gesellschaft verändern kann?

Ich bin, ehrlich gesagt, nicht sicher. Was ich glaube, ist, dass Musik einen Gemeinschaftssinn stiften kann. Wir haben in der Geschichte gelernt, dass Musik immer wieder die Massen bewegt, im Guten wie im Schlechten: Kein Krieg ohne Marsch und kein Aufmarsch politischer Gruppierungen ohne gemeinsame Musik. Wenn es darum geht, mit Kunst die Welt zu verändern, würde ich persönlich lieber kleine Schritte gehen, Fragen stellen und Anstösse geben.Das manipulative Moment interessiert mich eigentlich weniger als das Erzeugen von Wahrhaftigkeit und Nähe.

Wie halten Sie es in Ihrem Alltag mit der Musik? Nutzen Sie Klänge, um Ihre eigene Stimmung zu verändern?

Es gibt diese Momente, in denen ich träge bin, und mich mit Musik (das ist dann meistens Rock mit harten Beats) motiviere. Aber ich kenne das auch anders herum: Zuweilen verspüre ich diese romantische Sehnsucht, mich durch Musik noch tiefer in eigene Gefühle zu versenken. Das geht bei mir besonders gut durch portugiesischen Fado, durch diese Musik der unendlichen Trauer und Sehnsucht.

In Zürich werden Sie Texte zu Werken von jüdischen Komponisten wie Mendelssohn und Klein lesen. Was kann Musik zur Völkerverständigung beitragen?

Musik öffnet die Herzen. Manchmal reicht es, dass wir feststellen, dass es Musik gibt, die ganz andere Traditionen hat, die – wie wir eben besprochen haben – eine ganz andere Sprache spricht. Musik, die uns aber dennoch erlaubt, Teil von ihr zu werden. Allein diese Erkenntnis ist für mich ein grosser Schritt in Sachen Völkerverständigung.

Sie sind bereits mehrfach mit Daniel Hope aufgetreten. Wie haben Sie diese Begegnungen in Erinnerung?

Daniel liebt nicht nur die Musik, sondern auch die Menschen, für die er musiziert. Das ist auch für uns Schauspieler wesentlich. Man sollte vor allen Dingen keinen Zynismus zulassen, denn er ist der Tod jeder Kommunikation. Daniel Hope ist für mich das genaue Gegenteil eines zynischen Künstlers – ich mag seine emphatische und begeisterte Art, auf die ich mich sehr gern einlasse. ab

Das Interview lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

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