Wonach riecht Mozart? Wie schmeckt Vivaldi? Wie fühlt sich Brahms an? Diese Fragen klingen absurd. Aber wenn ich mich intensiv mit einem Komponisten beschäftige, sind all diese Fragen wesentlich: Riechen, schmecken, spüren – all das spielt eine Rolle für das Hören. Für mich stimuliert eine gute Interpretation nicht nur die Ohren, sondern alle Sinne.

«Nie sind wir uns selber so nahe wie beim Hören.»

Das Hören ist ein einzigartiger Sinn. Die Augen können wir schliessen – und wir werden kurzfristig blind. Die Nase können wir zuhalten – und riechen nichts mehr. Aber die Ohren sind allzeit wach. Selbst dann, wenn wir schlafen. Aber der Hörsinn ist ein Ur-Sinn, der uns schützen soll, vor wilden Tieren, vor Unheil. Unsere Ohren wecken uns aus tiefem Schlaf, wenn Gefahr im Anflug ist. Selbst, wenn wir die Ohren zuhalten, ist es unmöglich, nichts zu hören. Dann können wir in uns hinein lauschen, hören, wie das Blut in unserem Körper pulsiert, unseren Herzschlag, das Rauschen unseres Körpers. Und mehr noch: «In uns hinein zu hören» bedeutet auch, dass wir uns mit unseren Erfahrungen, Erlebnissen und unserer Sinnlichkeit auseinandersetzen, mit unseren Ängsten, Freuden, Erwartungen und Hoffnungen. Nie sind wir uns selber so nahe wie beim Hören. Dies liegt auch daran, dass das Hören all unsere anderen Sinne vernetzt. Wir können in der Musik auch das Sehen aktivieren – denken Sie nur an die grossen Impressionisten mit ihren wunderbaren Klangfarben! Oder das Riechen: In einer Oper wie «Wozzeck» ist der Geruch der Armut allgegenwärtig. Das Spüren ist natürlich auch eine Kategorie der Musik. Sie ist physisch, lässt unseren Körper beben oder erzeugt Gänsehaut. Musik kann uns im wahrsten Sinne des Wortes berühren.

Deshalb ist es für mich wesentlich, mit allen Sinnen an eine neue Partitur heranzugehen, sie mit der Nase, den Augen, den Händen zu erkunden, um in der Musik alle Sinne hörbar werden zu lassen – sie mitschwingen zu lassen. Genau darauf fokussieren wir uns in der Saison 2018/19 unter dem Motto «Musik für die Sinne». Ich lade Sie herzlich ein zu diesem einmaligen Abenteuer.

Die Kolumne lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

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