Paul Suter, Andres Joho und Petros Bakalakos bringen Georges Bizets Oper «Don Procopio» zur Aufführung – ein herrliches Stück über die Liebe, das Geld und das Alter.

Als der Komponist Georges Bizet den «Prix de Rome» gewonnen hatte, reiste er von Frankreich nach Italien und machte dort nähere Bekanntschaft mit der sogenannten Opera buffa, eine komische Opernform, die damals ganz Italien unterhielt. Eines der bekanntesten Werke dieser Gattung war Gaetano Donizettis Verwirrspiel um die Liebe, «Don Pasquale». Bizet war angetan vom Witz, von der Leichtigkeit der musikalischen Sprache und dem Spiel der amourösen Irrungen und Wirrungen. Und so arbeitete er in den Jahren 1858 und 1859 immer wieder an einem Werk, in dem er mit diesen humorvollen Mitteln der Musik experimentierte: an der Oper «Don Procopio».

Der Inhalt erinnert stark an Donizettis «Don Pasquale». Es geht um Liebe, Geld, um das Ungestüm der Jugend und die Verbortheiten des Alters. Der alte Don Andronico hat eine hübsche und lebensfrohe Nichte namens Bettina. Der greise Onkel befürchtet allerdings, dass sie mit einem jungen Liebhaber ihr gesamtes Geld verprassen wird und beschliesst, sie mit einem alten Herrn zu verkuppeln: mit Don Procopio. Bettina durchschaut das Spiel und weigert sich, den Greis zu heiraten. Stattdessen will sie der wahren Liebe folgen. Seit einiger Zeit hat sie bereits ein Auge auf den jungen Odoardo geworfen. Ihr Plan ist es, den alten Don Procopio durch ihr Verhalten noch älter aussehen zu lassen. Dabei setzt Bettina auf die Hilfe ihrer Tante Eufemia und ihres Bruders Ernesto. Bettina gibt vor, eine fürchterliche Schrulle zu sein und flösst Don Procopio durch ihr schrilles Auftreten Angst ein. Irgendwann beschliesst er, Bettina unter keinen Umständen zu heiraten und flieht. Nach einigem Hin und Her steht dem Happy End nichts mehr im Weg: Der junge Odoardo und Bettina geben sich das Jawort, die Liebe siegt über das Geld, und die Jugend über das Alter.

Diese humorvolle Oper scheint wie gemacht für das Format Opera Box, in dem Regisseur Paul Suter schon oft gezeigt hat, wie direkt die Musik auf uns wirken kann. «Wir möchten mit der Opera Box nicht zuletzt die Unmittelbarkeit der Kunst beweisen», sagt Suter. So wird das Publikum wieder mitten im Geschehen sitzen, Bizets furiose Klangideen erleben und sich von Bettina ebenso den Kopf verdrehen lassen wie Don Procopio. «Das Besondere an der Opera Box ist, dass auch wir Künstler spüren, welch unmittelbare Verbindung die Musik herstellt. Der Kontakt zum Publikum und zu seinen Reaktionen ist für jeden, der hier auf der Bühne steht, ein Erlebnis», erklärt der Regisseur.

Die Opera Box wird auch dieses Mal zeigen, dass die Themen Liebe, Geld und Alter zeitlos sind. So naheliegend Anklänge an gegenwärtige Themen sind, so wichtig ist es Suter und seinem Team, das Zeitlose der Geschichte herauszuschälen. «Allein der Einfluss des Geldes auf die Liebe ist ein sehr spannendes Thema», meint er. «Dazu kommt diese wunderbare Figurenkonstellation, die beiden Alten und die bezaubernde Bettina.» Suter geht es darum, die einzelnen Charaktere nach vorne zu stellen und so die Komik des Stoffs lebendig werden zu lassen. «Wir möchten den Spass und die Albernheit der Oper durchaus ernst nehmen. Denn nur, wenn man Humor ernst nimmt, ist er am Ende auch lustig», ist Suter überzeugt.

«Nur, wenn man Humor ernst nimmt, ist er am Ende auch lustig.»

Ursprünglich wollte der Regisseur die Oper «Dr. Miracle» aufführen, aber die Musik von «Don Procopio» hat ihn nicht mehr losgelassen. «Man hört in dieser Oper den italienischen Wind, der Bizet in Rom erreicht hat, man erkennt Anklänge an Donizetti, an Rossini und selbst schon den frühen Verdi», sagt Suter. «In dieser Oper reiht sich ein musikalisches Juwel an das andere.» Und immerhin hat er ein Quartett aus «Dr. Miracle» für seine Inszenierung von «Don Procopio» gerettet: Nach der Pause werden vier Angestellte am Hofe ein Omelett zubereiten und besingen, wie sie am Rezept scheitern. «Wir haben dieses wunderbare Quartett aus ‹Dr. Miracle› mit in ‹Don Procopio› geschmuggelt, weil es so unglaublich Spass macht, und das Scheitern der Hochzeitsvorbereitungen bereits ein Omen für den weiteren Verlauf der Handlung ist.»

Suter setzt dieses Jahr ganz auf die gesungenen Rezitative von Bizet. Anders als in früheren Opera-Box-Aufführungen wird es bei «Don Procopio» keine gesprochenen Dialoge geben. Stattdessen wird ein Erzähler regelmässig auftreten und die folgenden Szenen aus seinem ureigenen Blickwinkel vorbereiten.
Angesiedelt wird die Inszenierung beim Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert. «Nachdem wir letztes Jahr in ‹La vie parisienne› in die Gegenwart gekommen sind, fanden wir es einfach spannend, mal wieder in die Vergangenheit zu reisen», erklärt Suter.

Andres Joho sowie Petros Bakalakos teilen sich an diesem Abend die musikalische Leitung. Sie werden die Musiker des ZKO sowie ein begeistertes Sänger-Ensemble dirigieren und Bizets humorvolle, psychologisch ausgefeilte und mitreissende Musik in Szene setzen.

Bizet schrieb einmal, dass er in der Oper «Don Procopio» zwar noch keinen eigenen Stil gefunden habe, wohl aber Spass daran hatte, mit unterschiedlichen musikalischen Effekten zu experimentieren. Das Ergebnis ist ein jugendlich ungestümes, vor Ideen strotzendes und zutiefst amüsantes Werk. Bizet, wie man ihn aus seiner wohl grössten Oper «Carmen» eher nicht kennt. Und trotzdem war die Arbeit an «Don Procopio» wegweisend. Versatzstücke der Musik, die er hier erfunden hatte, sind später auch in der Oper «Die Perlenfischer» oder in Bizets grosser C-Dur-Sinfonie zu hören. ab

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