Der Cembalist des ZKO versteht sich auch als Archäologe: Er hebt Schätze aus der Barockzeit und versucht, sie dem heutigen Zuhörer nahezubringen.
Naoki, wie oft musst du Leuten erklären, was ein Cembalo ist?

Das kommt schon ab und zu vor. Viele verwechseln das Cembalo lustigerweise mit dem Cello.

Dabei unterscheidet das Cembalo einiges vom Cello …

… und auch von allen anderen modernen Streichinstrumenten. Wenn ein Cellist oder eine Geigerin beginnt, mit dem Bogen über die Saiten zu streichen, dann dauert es eine kleine Weile, bis der Klang entsteht. Beim Cembalo drücke ich auf die Tasten und schon ist der Ton da – man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Glockenton. Ich muss immer sehr gut aufs Timing achten, denn ich gebe im Orchester oft den Rhythmus vor. Das gilt insbesondere für Musik aus der Barockzeit – damals hatten die Menschen grosses Interesse an einem verlässlichen Rhythmus, an der Genauigkeit, welche die Zeit strukturiert. Schliesslich ist die Zeit für den barocken Menschen ein Geschenk Gottes.

Mit Gott hast du ein wichtiges Thema der Barockmusik angesprochen.

Meiner Meinung nach ist die Musik des Barock sehr doppeldeutig. Viele Werke sind sinnlich-erotisch und gleichzeitig eng mit religiösen Ideen verwoben. Auch der Tod ist ein wichtiges Thema. Man empfand ihn als etwas, was zum Leben dazugehört – als etwas, das einem die freudigen Seiten des Daseins erst wirklich bewusst werden lässt. Es ist ein bisschen so wie mit einer weissen Schrift, die man erst auf einem schwarzen Hintergrund deutlich sieht.

Das 16. Jahrhundert liegt weit zurück – wie schaffst du dir einen Zugang?

Ich bin wie ein Kunsthistoriker, der versucht zu verstehen, was damals passiert ist, wie ein Archäologe, der nach Zeugnissen der Vergangenheit gräbt. Das ist also eine Art wissenschaftliche Arbeit. Aber darüber hinaus – und das ist das Allerwichtigste – muss ich alle Gefühle und alle Informationen, die in meinen Körper und in meinen Kopf hineinkommen, selbst auskosten und einen Ausdruck dafür finden.

Gerade arbeitest du auch an einer CD, bei der du als Solist und im Duo mit einer Barockgeigerin zeitgenössische Werke interpretierst.

Ja, denn mir scheint auch manche moderne Musik sehr nahe am Leben und an der Natürlichkeit. In gewissen musikalischen Epochen wurde der Mensch viel zu gross, viel zu wichtig dargestellt. Da war alles heroisch und die Möglichkeiten scheinbar grenzenlos. Doch wir sind keine Helden, sondern sterbliche Wesen – das lehrt uns ja auch der Barock. sp

Das Interview lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

BEITRAG TEILEN