Manchmal ist es eine komplizierte Beziehung: Jazz und Klassik. Aber dann gibt es die glücklichen Momente, wo einfach alles passt. Dazu braucht es Offenheit, Neugier und aussergewöhnliche Fähigkeiten – wie bei den Beteiligten dieses besonderen Projekts.

TEXT FELIX MICHEL

So unterschiedlich Jazz- und Klassikmenschen oft sind, so innig ist doch die klassische Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts mit derjenigen des Jazz verflochten. Auch der Komponist Maurice Ravel liess sich (etwa in den Klavierkonzerten) vom Jazz inspirieren und beeinflusste seinerseits den Jazz mit seiner schwebenden, sinnlichen Musik. An seiner Klangsprache ist bereits zu erleben, wie beide Welten sich fügen. Solche Momente der Offenbarung oder eben – angelehnt ans englische Pendant «revelation» – der «Ravel-ation» verspricht das ZKO am 8. Juli. Dazu interpretiert das Orchester einerseits die Streichquartette von Debussy und Ravel und spannt andererseits mit Kräften aus dem Jazz zusammen, die Grenzgänge gewohnt sind. Der Jazztrompeter Till Brönner ist nicht nur auf beiden Seiten des Atlantiks zu Hause, sondern auch in Klassik und Mainstream trittsicher unterwegs. So anpassungsfähig ihn seine feine Spielkultur macht, so unverkennbar bleibt er dabei dank seines charakteristischen Tones. Zu seinen neueren Projekten zählt eine Duo-Aufnahme mit dem Bassisten Dieter Ilg. Dieser wiederum hat sich mit seinem Trio in den letzten Jahren u.a. Richard Wagner und Johann Sebastian Bach (auch dies Jazz- Urwurzeln!) vorgenommen – nicht in oberflächlichen Bearbeitungen, sondern in stimmigen Anverwandlungen. Das Dieter Ilg Trio und Till Brönner bilden sozusagen das «Concertino», das ZKO das «Ripieno» in dieser jazzigen Neuinterpretation des «Concerto grosso»-Prinzips, das bereits die ganze Saison durchzieht. Gleich drei Werkaufträge hat das ZKO für diese Konstellation ausgegeben. An Daniel Schnyder, der als Jazzsaxophonist und klassisch ausgebildeter Flötist beide Welten kennt und als Komponist längst internationale Ausstrahlung besitzt. An Christoph Baumann, der seit Jahrzehnten das Freiheitsversprechen des Jazz auf alle möglichen Bereiche ausdehnt. Und an die junge Pianistin und Komponistin Luzia von Wyl, deren eigenes Ensemble seit zehn Jahren aufhorchen lässt: mit ungewohnten Farben von Geige bis Fagott, kniffligen (aber dennoch mühelos groovenden) Rhythmen und formaler Experimentierlust.

Das Dieter Ilg Trio und Till Brönner bilden sozusagen das «Concertino», das ZKO das «Ripieno» in dieser jazzigen Neuinterpretation des «Concerto grosso»-Prinzips, das bereits die ganze Saison durchzieht.

Luzia von Wyls ganz eigenständige Handschrift vereint Einflüsse aus dem Jazz (sie nennt Gil Evans und Maria Schneider) und Reise-Erlebnisse aus aller Welt ebenso wie klassische Komponisten. An Strawinsky und Prokofjew bewundere sie die fast körperliche Rhythmik, an der Musik von Debussy und Ravel «deren Filigranität und Farbenreichtum, natürlich auch die wunderbare Harmonik». Das liegt auch an ihrem zweigleisigen
Werdegang: «Als klassisch ausgebildete Pianistin habe ich damals in meinem Studium beide Komponisten immer wieder gespielt.» Diese stilistische Offenheit, die in der Generation von Daniel Schnyder noch eher die Ausnahme war, prägt heute viele Kollegen von Luzia von Wyl. Aber indem ihr zehnköpfiges Ensemble auch Mitglieder ganz ohne Jazz- Hintergrund umfasst, geht sie einen Schritt weiter. «Die Kunst ist also, Musik zu schreiben, die beide Arten des Musikmachens nicht nur zulässt, sondern sie so vereint, dass sie unabdingbar für das Stück werden», so von Wyl. Diese Kunst beherrscht sie offensichtlich besonders gut. Kein Wunder, dass sie sich auf die Zusammenarbeit mit dem ZKO und den Jazzmusikern freut!

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