Die Klarinettistin Sabine Meyer und das Alliage Quintett gestalten einen aussergewöhnlichen Abend mit Meisterwerken, die sich im Film oder als populäre Melodien verselbstständigt haben.

Einzigartig ist sie bereits, die Besetzung des Alliage Quintetts, bestehend aus vier Saxophonen und einem Klavier. Doch für ihr Programm in Zürich
laden die zweifachen Echo-Klassik-Preisträger zusätzlich eine der prägendsten Musikerinnen unserer Zeit ein: die Klarinettistin Sabine Meyer. Ihr ist es zu verdanken, dass die Klarinette, als Soloinstrument oft unterschätzt, das Konzertpodium zurückerobert hat. Wenn die Klarinettistin mit dem Alliage Quintett auf der Bühne steht, scheint man die Kraft eines grossen Orchesters zu spüren. Gleichzeitig ist die intime Spiellust jedes einzelnen Musikers zu hören und die Freude an der eigenen Lesart grosser Klassiker.

Bei ihrem Auftritt in Zürich bringen Sabine Meyer und das Alliage Quintett Musikperlen des klassischen Repertoires zum Klingen, die mit originellen und verblüffenden Arrangements weit über die Grenzen des Konzertpodiums ihr Publikum gefunden haben – in Film, Show oder Unterhaltung.

Dass Musik ein Eigenleben führt, dass sie Bekanntes aufnimmt, Mythen der Literatur verarbeitet und zuweilen für den Film vorbereitet, wird an einem Werk wie Paul Dukas’ «Zauberlehrling» deutlich. Grundlage ist Goethes gleichnamige Ballade, welche von einem neugierigen Schüler handelt, der die Besen seines Meisters endlich selbst verhexen will und damit eine Katastrophe anrichtet: Unermüdlich tragen die verzauberten Besen immer neue Wassermassen ins Haus des Zaubermeisters und sind nicht zu stoppen.

Der französische Komponist Paul Dukas hat die Ballade 1897 in Musik gegossen. Und zwar so, dass seine Klänge Goethes Worte als musikalischen Rausch erleben lassen. Vom ursprünglich in den Trompeten vorgetragenen Zauberspruch bis zu den, durch das übrige Orchester hörbar gemachten, unendlich sich entladenden Wassereimern, schuf Dukas Programmmusik in Vollendung. Er landete nicht nur in den Konzertsälen einen Publikumserfolg, sondern liess viel später auch den Comiczeichner Walt Disney aufhorchen, der die Komposition 1940 als Soundtrack für seinen Film «Fantasia» benutzte, in dem sich Micky Maus als verzweifelter Zauberlehrling versuchte. Ein Kino-Erfolg, der Dukas’ ursprünglicher Komposition zum weltweiten Durchbruch verhalf.

«Ein Kino-Erfolg verhalf Dukas’ ursprünglicher Komposition zum weltweiten Durchbruch.»

Als der Disney-Konzern 1999 eine Fortsetzung des ursprünglichen «Fantasia»-Films auf den Markt brachte, «Fantasia 2000», wurde ein anderer Soundtrack benutzt, der einst ebenfalls wegweisend für die Musikgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts war: Igor Strawinskys «Feuervogel». Dieses Ballett um einen Zauberwald, eine magische Feder, einen Prinzen und seine Prinzessin, liess das Premierenpublikum im Pariser Théatre National de l’Opéra im Jahre 1910 völlig neue Klänge hören. Die Verbindung aus Moderne, uralter Mystik und lautmalerischer Musik begann ihren Siegeszug durch die ganze Welt – und landete natürlich ebenfalls in der Populärmusik.

Zuweilen ist aber auch der Film selbst Grundlage grosser Kompositionen. So wurde etwa das Präludium der «Fünf Stücke für zwei Violinen und Klavier» des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch als Soundtrack im Film «Hornisse» eingesetzt. Das Alliage Quintett hat dieses Stück nun für Bläser umgeschrieben und zeigt, dass wir auch heute noch bewegte Bilder sehen können, wenn wir Schostakowitschs Musik hören. Auf den Flug der Hornisse folgen in diesem Zyklus eine Gavotte, eine Elegie, ein Walzer und eine Polka.

An vollkommen neuen Formen des Musizierens war die «Groupe des Six» der Komponisten Francis Poulenc, Georges Auric, Arthur Honegger, Louis Durey, Germaine Tailleferre und Darius Milhaud interessiert. Mit ihren Werken wollten sie ein breites Publikum möglichst unmittelbar erreichen. Als Darius Milhaud von zwei Pianistinnen, die regelmässig im Duo spielten, gebeten wurde, ein Werk für zwei Klaviere zu schreiben, war er allerdings nicht sonderlich begeistert und arbeitete einfach eine seiner Ballettmusiken um. Unter dem Titel «Scaramouche» entstand eine Hommage an die berühmte Figur der Commedia dell’arte, vor allen Dingen aber an den Schauspieler Tiberio Fiorilli, der unter anderem Molière und Ludwig XIV. mit seiner Kunst begeisterte. Bis heute gehört der Finalsatz von Scaramouche, eine Brasilien-Hommage in Form einer Samba, zu den wohl populärsten Werken Milhauds.

Einem grossen französischen Poeten verdankt Leonard Bernstein einen seiner grössten Hits. In der Operette «Candide» hat er Voltaires Roman in prickelnde Musik übertragen. Die Ouvertüre enthält dabei alle «Schlager» der Operette und ist bis heute eines der meist gespielten Orchesterstücke Bernsteins. Sabine Meyer und das Alliage Quintett stellen das heitere Extrakt dieser überschäumenden Musik in den Vordergrund.

Dieses Interview lesen Sie auch im aktuellen OPUS.