Beim Konzert mit Martin Helmchen erwartet unser Publikum nicht nur ein Klang-, sondern auch ein besonderes Dufterlebnis. Wir haben uns mit Farfalla-Mitbegründer Jean-Claude Richard über die besondere Zusammenarbeit unterhalten und dabei erfahren, wie der Geruchssinn unser Leben bereichert.
Jean-Claude Richard, als Dufthersteller haben Sie schon ganze Schlösser, Ausstellungen und Hotels beduftet – nun steht zum ersten Mal ein Konzert an …

Ja, und das finde ich wahnsinnig schön. Wenn beim Konzert vom 22. Januar Duft und Klang zusammenkommen, so begegnen sich zwei Welten, die sehr viel gemeinsam haben.

Zum Beispiel?

Musik berührt die Zuhörer von innen. Sie bringt sie in andere Stimmungen und lässt sie Dinge empfinden, die sie im Alltag nicht erfahren oder weniger zulassen. Musik hat also eine unglaubliche Kraft. Bei Düften ist es ähnlich: Auch sie bringen uns an andere Orte und ermöglichen neue Erfahrungen. Konzerte zu besuchen, ist einfach viel verbreiteter, als sich bewusst auf Dufterlebnisse einlassen. In der heutigen Zeit, wo Warenhäuser und Lebensmittel beduftet sind, haben Düfte oft auch einen negativen Aspekt. Das ist schade, denn natürliche Düfte spielen eine wichtige Rolle in unserem Alltag.

Können Sie das näher erläutern?

Um den Einfluss von Düften und Gerüchen auf den Menschen zu verstehen, muss man wissen, dass diese im limbischen System verarbeitet werden. Dort werden auch unsere Erinnerungen abgespeichert. So kommt es, dass man manchmal etwas riecht und innert einem Bruchteil einer Sekunde wieder dasselbe Gefühl empfindet wie damals, als man den Duft zum ersten Mal wahrnahm. Ich wurde zum Beispiel als Junge, wenn ich krank war, von meiner Mutter mit Kamillentee gepflegt. Wenn ich heute Kamille rieche, dann entsteht in mir sofort ein Gefühl der Geborgenheit und des Umsorgt-Seins. Das limbische System ist aber nicht nur für unsere Erinnerung zuständig, sondern steuert auch andere Funktionen wie die Verdauung, die Körpertemperatur oder den Schlaf. Auch hier können Düfte einen Einfluss nehmen – Lavendel beruhigt beispielsweise.

Jean Claude Richard
Auch bei der Partnerwahl wird die Rolle des Geruchssinns immer wieder betont.

Viele Faktoren beeinflussen die Partnerwahl, aber der Geruchssinn spielt tatsächlich eine herausragende Rolle. Wir kommunizieren alle quasi nonstop über Duftmoleküle mit unseren Mitmenschen. Selbst in winzigsten Dosierungen geben uns diese Duftmoleküle Informationen über die andere Person. Ein Körpergeruch, der sich vom eigenen unterscheidet, fällt dabei besonders positiv auf – das mit den gemeinsamen Hobbies kommt erst später (lacht). Übrigens gibt es auch Geschlechtsunterschiede: So besitzen Frauen eine feinere Nase als Männer. Ob sie einen Geruch als angenehm oder unangenehm wahrnehmen, variiert bei ihnen aber mit dem Zyklus

«Wenn Sie verliebt sind, finden Sie Blumendüfte vielleicht plötzlich spannend.»

Persönliche Erinnerungen, die eigene Genetik, der weibliche Zyklus – wenn so vieles unser Geruchsempfinden beeinflusst, wie gelingt es Ihnen dann Düfte zu kreieren, die einem Grossteil der Menschen zusagen?

Das hat mit Erfahrung zu tun. Aber ganz sicher kann man sich tatsächlich nie sein, wie ein Duft aufgenommen wird. Da wir alle durch positive und negative Dufterlebnisse geprägt sind, wird es immer Leute geben, welche die Nase rümpfen. Es gibt allerdings schon Düfte, welche weniger polarisieren. Vanille beispielsweise gehört zu den beliebtesten Aromen, auch Zitrusdüfte mögen die meisten. Blütenextrakte stossen hingegen eher einmal auf Ablehnung, denn sie haben einen sehr sinnlichen Einfluss. Das kann sich aber ändern: Wenn Sie verliebt sind, finden Sie Blumendüfte vielleicht plötzlich spannend.

Für welche Düfte haben Sie sich für das Konzert am 22. Januar entschieden?

Für das Konzert im Schauspielhaus habe ich zwei Düfte kreiert, die für mich zu Othmar Schoecks «Sommernacht» passen. Welche das sind, sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Ein grosses Anliegen war mir aber, dass es nicht aufdringlich wird, dass die Zuhörer den Düften nicht ausgeliefert sind. Daher werden wir Riechstreifen verteilen, die jeder nach Lust und Laune an die Nase führen kann.

Jean-Claude Richard
Wie sind Sie bei der Kreation dieser Düfte vorgegangen?

Ich bin eigentlich ein sehr visueller Mensch. Daher beginnt der kreative Prozess bei mir oft mit einem Bild. Ich habe beispielsweise einmal ein Parfum mit dem Namen «Nuvola» kreiert. Da hatte ich zuerst das Bild einer luftig-leichten Wolke vor meinem inneren Auge und dann überlegte ich mir, wie sich dieses in ein Parfum umsetzen lässt. Was das Konzert mit Martin Helmchen und dem ZKO betrifft, so diente als primäre Inspirationsquelle natürlich die Sommernacht, aber auch das Umfeld ist mir wichtig, also dass das Konzert im Schauspielhaus stattfindet und dass die Leute klassisch gekleidet sind – all das versuchte ich bei der Kreation der Düfte zu berücksichtigen.

Das Konzert findet im Winter statt – das Werk von Othmar Schoeck und ihre Düfte drehen sich aber um die Sommernacht. Müssen sich die Besucher da nicht erst einmal akklimatisieren?

Ja, das haben wir uns auch überlegt. Neben den Riechstreifen werden wir die Besucherinnen und Besucher des Schaupielhauses daher bereits beim Eingang mit einem Duft empfangen. Weil es ja Januar und kalt ist, wollte ich etwas, was weich und warm riecht. Wenn ich ihn in eine Farbe übersetzen müsste, dann wäre es ein gelber Duft. Er soll das Publikum fein und mit einer leichten Wärme empfangen. Und die Musik tut dann sicher das ihrige, um das Publikum in die passende Stimmung zu versetzen. sp

Tickets für das Konzert vom 22. Januar finden Sie hier.

So riechen wir

Beim Riechen treffen Duftmoleküle auf die Riechhaare in unserer Nase, auf die sogenannten Zilien. Riechzellen, an die sich ein Duftmolekül anlagert, «feuern», das heisst sie erzeugen ein elektrisches Signal, welches ans Gehirn gesendet wird. Anders als visuelle oder akustische Reize machen Düfte keinen Umweg über die Grosshirnrinde, sondern kommen direkt im limbischen System an. Das erklärt, weshalb Düfte so eng mit unseren Gefühlen in Verbindung stehen.