Zur Frage, wo man sei, wenn man Musik höre, hat der Philosoph Peter Sloterdijk eine Antwort gegeben, über die ich viel nachgedacht habe: Seiner Meinung nach ist man «in der Musik, von der Musik umgeben», da Klänge – anders als ein Buch oder ein Bild – kein Gegenüber darstellen, sondern den ganzen Raum erfüllen. Aber vielleicht ist das nur eine mögliche Ortsbestimmung des Hörens. Vielleicht sind wir als Zuhörer auch ganz bei uns, in uns selber. Vielleicht ist es nicht nur der äussere Klang, den wir wahrnehmen, sondern auch ein eigener, innerer Soundtrack.
«Auch für mich wurde die Musik plötzlich anderen Sinnen zugänglich.»
Jan Lisiecki bezeichnet es in diesem Opus als grossartig, «dass sehr viele Komponenten einer Komposition konkret definiert sind, dass auf der anderen Seite aber unendlich viel Spielraum bleibt, um sich innerhalb der Musik zu bewegen.» Ein sehr passendes Bild. An einem Konzertabend betreten Künstler und Zuhörer gemeinsam einen Raum aus Klang. Darin können wir uns bewegen – und vielleicht auch Aspekte von uns selber entdecken, die wir anderswo eher vermeiden.
Am Ende dieser Saison möchte ich auch eine kleine Bilanz ziehen, was unser Motto «Art is in Residence» betrifft. Alle Künstler, die mit uns gemeinsam überlegt haben, wo ihr Handwerk (die Malerei, der Scherenschnitt, die digitale Animation und viele mehr) in die Welt der Töne eingreift, haben immer auch gefragt, wo wir uns befinden, wenn wir Musik hören. Sie haben dem Ort des Klangs Formen und Farben gegeben, um das Unsichtbare, den Ton, sichtbar werden zu lassen. So wurde die Musik auch für mich plötzlich anderen Sinnen zugänglich.
In den letzten Konzerten dieser Saison machen wir die Musik noch einmal sichtbar – mit Fotografie, Music Animation und Video-Mapping. Womöglich beantworten auch diese Projekte die Frage, wo wir uns befinden, wenn wir Musik hören, nicht endgültig. Sicher aber ist, dass der Ort der Musik ein Ort ist, an dem wir gemeinsam Ausserordentliches erleben. So möchte ich mich am Ende dieser Saison auch bei Ihnen, liebes Publikum, herzlich bedanken: Dafür, dass Sie sich mit uns auf Abenteuer eingelassen haben – ich freue mich auf alle kommenden!
Die Kolumne lesen Sie auch im aktuellen OPUS.