Der Klang steht für ihn an erster Stelle: Stéphane Réty über Gefühle in der Musik und die Flöte, die mehr ist als ein liebes Instrument.
«Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.» Dieses Zitat von E.T.A. Hoffmann steht auf deiner persönlichen Homepage. Warum gerade dieser Satz?

Es gibt viele Dinge, die man mit Worten nicht beschreiben kann. Beim Musikmachen geht es darum, Gefühl und Intellekt zu verbinden. Auf der intellektuellen, sprachlichen Seite weiss ich zum Beispiel, was die Musik bestimmter Epochen kennzeichnet – aber was tue ich mit diesem Wissen? Hier kommt das Gefühl ins Spiel, die Fantasie. Ich muss die Energie eines bestimmten Musikstücks verinnerlichen und mich auch fragen, was zwischen den Zeilen steht. Ich bin da sehr geprägt von meiner Schauspielausbildung am «Actors Studio» in Paris. Wir haben dort über lange Zeit keinen Text gelernt, sondern nur an unserem Körperausdruck gearbeitet und improvisiert. Davon profitiere ich heute noch. Auch beim Musizieren lasse ich zuerst meine Fantasie spielen. Ich versuche den Stil, die Energie eines Werks zu verstehen – und erst dann kümmere ich mich um die einzelnen Noten.

Neben deiner Tätigkeit beim ZKO unterrichtest du auch, bist Professor an der Hochschule für Musik in Dresden. Wie vermittelst du deinen Schülerinnen und Schülern deine Auffassung von Musik?

Auch im Unterricht kann man nicht alles erklären. Ich kann den Schülern auf intellektueller Ebene Hinweise geben, kann ihnen aufzeigen, wie die Luft durch den Körper strömt, aber letztlich bleibt selbst die Technik mysteriös. Die Schüler müssen selber ausprobieren, was für sie funktioniert, und dabei das intellektuelle Wissen zu einem privat-körperlichen machen. Das ist eine grosse Reise. Ich sage meinen Schülern zudem immer: Das Wichtigste ist der Klang, dann kommt der Klang und schliesslich – der Klang. Es geht nicht nur um korrekte Noten, sondern um Farbe, um Sonorität.

Welche Art von Klang verbindest du mit der Flöte? Man denkt bei diesem Instrument ja oft an Vogelgezwitscher, an liebliche, zarte Töne.

Genau das mag ich nicht, dieses Bild der Flöte als Instrument, das man vorzugsweise mit Harfe kombiniert und mit dem man dann an Hochzeitsapéros spielt. Die Flöte ist überhaupt kein liebes Instrument, sondern sehr intensiv. Das hört man beispielsweise im 4. Satz der 4. Sinfonie von Brahms. (Interview: Simone Pflüger)

Das Interview lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

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