Zum Auftakt der Jubiläumssaison 2020/21 unterhielt sich die Künstlerische Leiterin des ZKO, Lena-Catharina Schneider, mit Music Director Daniel Hope.
INTERVIEW LENA-CATHARINA SCHNEIDER

Daniel, durch die berufliche Verbindung deiner Mutter zu Yehudi Menuhin habt ihr in deiner Kindheit mit eurer Familie fast jeden Sommer in Gstaad verbracht. Hier konntest du bereits in jungen Jahren das ZKO, damals noch unter der Leitung von Edmond de Stoutz, erleben. Wie würdest du die Entwicklung dieses Klangkörpers seitdem beschreiben?
Was mich immer noch überwältigt, ist sein Klang, der für mich als Geiger das Wichtigste ist. Ich staune auch, wie sich der Klang im Lauf der Zeit gewandelt hat, angefangen beim satten, schönen Klang bei de Stoutz bis zum extrem reduzierten Klang bei Sir Roger Norrington. Nicht jedes Orchester ist so flexibel. Beim ZKO spielen extrem talentierte Vollblutmusiker, die dies einfach können.

Man sagt, dass jede Zeit, jede Epoche ihre eigene Klangwelt hervorruft. Wie würdest du den heutigen Klang des ZKO beschreiben?
Wunderschön, extrem flexibel und hochspannend.

Seit 2016 bist du Music Director des Zürcher Kammerorchesters. Wir werden häufig gefragt, warum wir nicht überwiegend mit einem Dirigenten zusammenarbeiten. Was reizt dich daran, das Orchester vom Instrument aus zu leiten?
Ich selbst habe unter Edmond de Stoutz, Howard Griffiths, Muhai Tang und Sir Roger Norrington musiziert. Ich kenne also (fast) die ganze Geschichte dieses Orchesters mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten seiner bisherigen Leiter. Es ist hochspannend, in dieser Situation nun meinen eigenen Input zu geben. Ich bin kein Dirigent. Ich bin Geiger und agiere von der Geige aus als Primus inter Pares. Ich leite das Orchester manchmal als Konzertmeister oder ich spiele als Solist mit. Zudem laden wir auch Gastdirigenten ein. Was ich will, ist, Kammermusik im grossen Stil zu spielen. Und das Orchester ist es inzwischen gewohnt, ohne Dirigenten zu musizieren. Da entsteht eine Energie und eine Präzision im Zusammenspiel, die ansteckend ist.

«Was ich will, ist, Kammermusik im grossen Stil zu spielen.»

In dieser Saison beschäftigen wir uns schwerpunktmässig mit der Konzertform des Concerto grosso. Welche Besonderheiten hat für dich diese Konzertform?
Ich liebe Concerti grossi, sie bringen das Orchester näher zusammen und fokussieren zugleich auf einige Persönlichkeiten in unserem Ensemble. Es ist ein Teamspiel.

Diesen November wirst du mit unserem Orchester in Salzburg Schnittkes Concerto grosso Nr. 1 für zwei Violinen, Cembalo, präpariertes Klavier und Kammerorchester spielen. Im Juni 2021 erklingt die Komposition erneut in Zürich. Was verbindest du
mit diesem Werk?
Mich verbindet eine enge Freundschaft mit Alfred Schnittke. Ich lernte ihn als Teenager kennen und wir arbeiteten eng zusammen. Ich bewundere seine Musik und freue mich immer, wenn ich sie spielen kann. Vor allem sein Concerto grosso Nr. 1 ist ein Meisterwerk. Schnittke sagte: «Mir schwebt ein utopischer einheitlicher Stil vor, bei dem die Fragmente der E- und U-Musik keine grotesken Einschübe wären, sondern Elemente einer mannigfaltigen musikalischen Realität. Ich meine damit Elemente, die in ihrer Ausdruckskraft zwar real sind, jedoch manipuliert werden können, sei es Jazz-, Pop-, Rock- oder serielle Musik.» Das sagt viel aus über die Originalität Schnittkes.

Die Coronakrise hat unsere Gesellschaft vor viele neue Herausforderungen gestellt. Du hast mit deinem digitalen Konzertformat «Hope@Home» beziehungsweise «Hope@Home – on tour!» eine ganz neue Verbindung zu Musikbegeisterten weltweit knüpfen können. Das ZKO hat zum Beispiel mit dir live vom Gelände der alten Chemiefabrik in Uetikon am See gesendet. Hast du vor, digitale Formate dieser Art weiterhin zu verfolgen? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden?
Ich möchte eine ganze Reihe von neuen Formaten entwickeln, digital sowie im Livekonzert. Ich denke, wir haben keine andere Wahl, als aus dem Moment heraus zu reagieren und den Menschen zu zeigen, was Musik für eine Bedeutung hat. Ich verfolge die Debatte über Musik und Systemrelevanz. Um ehrlich zu sein, würde ich eher sagen, dass Musik lebensrelevant ist.

Welche Wünsche und Ideen hast du für deine weitere Zusammenarbeit mit dem ZKO?
Es ist ein Privileg, mit dem ZKO Musik machen zu dürfen. Besonders bewegt hat mich, dass das Orchester meinen Vertrag einstimmig verlängert hat. Dieses Vertrauen möchte ich aufgreifen, um in den nächsten Jahren so viel wie möglich mit dem Orchester zu arbeiten. Wir haben turbulente Zeiten zusammen durchgestanden und die Musik ist schöner denn je. Lasst uns diese Reise fortsetzen!

Diesen und weitere Artikel lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

BEITRAG TEILEN