Ton Koopman, der sympathische Doyen der historischen Aufführungspraxis, zeigt uns mit dem ZKO, wie die Musik des 18. Jahrhunderts für ihn klingt. Mit im Gepäck: zwei Komponisten aus seiner holländischen Heimat, die es hierzulande unbedingt zu entdecken gilt!

TEXT LION GALLUSSER

Ehrendoktor der Royal Academy of Music in London, Präsident des Bach-Archivs in Leipzig, international gefragter Dirigent und angesehener Musikwissenschaftler: Der Niederländer Ton Koopman gehört seit Jahrzehnten zu den Koryphäen der Alten Musik. Als Schüler von Gustav Leonhardt, einem der Begründer der historischen Aufführungspraxis, machte sich auch Koopman schon früh auf die Suche nach einem möglichst authentischen Klang, vorwiegend für die Musik des Barocks und der frühen Klassik.

Ein wichtiger Punkt dabei ist für Koopman die Vielfalt des Repertoires. Auch bei seiner Zusammenstellung des Konzertprogramms vom Juni mit dem ZKO legte er grossen Wert auf die Erweiterung des musikalischen Horizonts, indem er Bach, Händel und Mozart Concerti grossi von Willem de Fesch und Pieter Hellendaal entgegensetzte.

«Jedes Land hat seine guten Komponisten, auch Holland, wo de Fesch und Hellendaal übrigens sehr bekannt sind. Es reizt mich sehr, auch das Publikum in Zürich vertrauter mit den beiden Komponisten zu machen.»

Das Charakteristische von de Fesch und Hellendaal, die beide ihre Heimat verliessen und in England Karriere machten, bringt Koopman wie folgt auf den Punkt: «Die Musik von de Fesch kommt jener von Händel, in dessen Orchester er auch gespielt hat, sehr nah. Die Concerti grossi sind, wie jene von Händel, konzipiert als prägnant angelegte Musik zum Geniessen. Bei Landsmann Hellendaal, der rund 40 Jahre später geboren wurde, ist man bereits in einer anderen Welt angelangt, in der des Rokokos.»

«Als Dirigent begebe ich mich in eine Zeitmaschine, die uns in den Barock mitnimmt.»

Im Gespräch mit dem charismatischen Koopman sprudelt unablässig seine Faszination für die «alte» Musik hervor. «Als Dirigent begebe ich mich in eine Zeitmaschine, die uns in den Barock mitnimmt. Dem Klang jener Zeit können wir nachspüren, indem wir eine schöne Resonanz der Streicher und eine schöne Mischung mit den Bläsern anpeilen. » Diese Arbeit, dieses gemeinsame Eintauchen in die so lebendige Musik von vor rund 300 Jahren unternimmt Koopman ganz besonders gerne mit dem ZKO, dem er schon seit Langem verbunden ist. «Ich kenne die Musiker*innen des ZKO sehr gut. Dies ist die ideale Voraussetzung für den gemeinsamen Klang. Für mich zählt jede*r Musiker*in: Wenn alle beim Spielen nach Farbe und Musikalität und nicht – wie häufig beim späteren Repertoire – nach Vibration streben, dann erreichen wir den transparenten Klang des Barocks.» Dieser erlaube es schliesslich auch, die Neuartigkeit von Mozart, dessen «Serenata notturna» den Schluss des Programms bildet, mit den Ohren des Barocks bzw. des Rokokos zu hören: «Wenn wir klanglich aus der Zeit vor Mozart kommen, dann fragen wir uns vielleicht auch: Wer hätte je gedacht, dass die Musik so modern klingen würde!»

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