Der Barockmeister und seine Welt: Daniel Hope, Willi Zimmermann und das ZKO unternehmen musikalische Hausbesuche in Bachs Freundeskreis.

Johann Sebastian Bach – das Nonplusultra des Barock. Manche sehen in seinen Werken so etwas wie das Alte Testament der Musik: Perfekt konstruierte Konzerte, die mit der Seele nach dem Himmel greifen und dennoch mit beiden Beinen auf der Erde stehen. Daniel Hope, Willi Zimmermann und das Zürcher Kammerorchester lassen in ihrem Konzert nun jene Welt hören, die Bach inspirierte, stellen seine Mitstreiter und Freunde vor und zeichnen dabei ein akustisches Bild einer aufregenden Musikepoche. Eingerahmt wird das Konzert von zwei genialen Bach-Kompositionen. Am Anfang steht das dritte Brandenburgische Konzert, das Bach für den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt komponiert hatte. Eine typisch Bach’sche Gigue, in der die einzelnen Figuren – in Umkehrungen und Moll-Variationen, begleitet von dramatischen Akkordbrechungen – durch das gesamte Orchester wandern, bevor am Ende wieder die alte Ordnung hergestellt wird. Doch das Werk verweist auch auf einen anderen Komponisten, der später am Abend vorgestellt wird: auf Tomaso Albinoni.

«Ein Abend, der das Werk des grossen Meisters durch die Musik seiner Freunde spiegelt.»

Wie es auch im dritten Brandenburgischen Konzert der Fall ist, hat Tomaso Albinoni als einer der ersten Komponisten Konzerte ohne ausgeführten langsamen Satz geschrieben. Ausserdem sorgte er besonders mit seinen Opern für Aufsehen. Im Gegensatz zu Vivaldi, der als Romantiker und Dramatiker galt, setzte Albinoniauf den klassischen italienischen Stil und auf strenge Formen. Bach selbst verehrte den Komponisten und verarbeitete Albinonis Themen in einigen Fugen für Cembalo. Ausserdem zog er ihn immer wieder im Unterricht heran, wenn er seine Schüler Generalbässe zu den Werken des Italieners aussetzen liess.

Neben Albinonis Violinkonzert in d-Moll wird das Zürcher Kammerorchester auch das Concerto grosso in g-Moll von Francesco Saverio Geminiani vorstellen. Der internationale Star-Komponist pflegte engen Kontakt mit Arcangelo Corelli, war Schüler von Domenico Scarlatti und führte seine Werke in London an der Seite von Georg Friedrich Händel auf.

Natürlich darf ebendieser Händel im Programm nicht fehlen. Obwohl Händel und Bach im gleichen Jahr geboren wurden, sind sie sich nie begegnet. Es war wohl hauptsächlich Händel, der Globetrotter, an dem eine Begegnung mit dem eher reiseunwilligen Bach scheiterte. Dennoch kannten und schätzten die beiden die Werke des jeweils anderen. Während Bach heute als unanfechtbarer Meister des Barock gilt, war Händel zu Lebzeiten der bekanntere Komponist. Das Violinkonzert in B-Dur stellt den Facettenreichtum und die Lebendigkeit des Komponisten besonders unter Beweis.

Vivaldi hob sich mit seiner Kompositionsweise, wie gesagt, von Tomaso Albinoni ab, aber ohne seine Werke wäre das Barock undenkbar. Das Concerto grosso in d-Moll, welches das ZKO spielen wird, ist das wohl bekannteste Konzert des Zyklus «L’Estro Armonico»: Die beiden Violinen begleiten sich am Anfang gegenseitig mit den leeren D-Saiten, bevor das Konzert an Fahrt aufnimmt. Der begeisterte Bach
bearbeitete das Konzert in einem eigenen Orgelwerk.

Johann Pachelbel stand der Familie Bach sehr nahe. Seine wohl berühmteste Komposition, den Kanon und die Gigue in D-Dur, schrieb er 1694 zur Hochzeit von Johann Christoph Bach, dem älteren Bruder Johann Sebastians. Ein starkes Werk, das längst in die Populärkultur übergegangen ist, etwa als Hymne der Russischen Föderation oder in Pop-Songs wie «Go West» von den Village People oder «All the Young Dudes» von David Bowie.

Inspirierend für Bach war auch Georg Philipp Telemann, der bereits vor ihm in Leipzig gewirkt hatte. Telemann gründete ein 40-köpfiges Amateurorchester, für das er sein Violinkonzert in a-Moll schrieb. Als Telemann Leipzig verliess, führte Bach dessen Orchester weiter und spielte mit ihm unter anderem im legendären Café Zimmermann. Bach bewunderte Telemann und fertigte zahlreiche Abschriften seiner Kantaten an. Darüber hinaus war Telemann auch Pate für Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel.

Nachdem das vielfältige Schaffen von Bachs Freunden, Vorbildern und Wegbegleitern erkundet wurde, schliesst der Abend wieder beim grossen Meister selbst – und zwar mit dem wohl bekanntesten Doppelkonzert Bachs, jenem in d-Moll. Der erste Satz ist eine klassische Bach-Fuge, der zweite ein Siciliano mit dramatischen Höhepunkten, der dritte ein Kanon der beiden Violinen, der an Vivaldi und dessen musikalisches Unwetter erinnert. Daniel Hope und Willi Zimmermann werden hier Bachs Liebe für die Geige feiern, ein Instrument, das der Komponist bis ins hohe Alter spielte. ab

Diesen Beitrag lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

BEITRAG TEILEN