Eine Französin, zwei Italiener, eine Schweizerin und ein Japaner spielen französische Barockmusik und bringen dabei besondere Trouvaillen zum Vorschein.

Lange Busfahrten durch unendliche Weiten gehörten 2018 zur Amerikatournee des Zürcher Kammerorchesters. Und wie lässt sich die Reisezeit besser nutzen, als mit dem Schmieden von neuen Programmideen? Ein Grüppchen von Musikerinnen und Musikern tat auf jeden Fall genau das – trotz der an den Fenstern vorbeiziehenden amerikanischen Landschaft entstand die Idee einer Matinée Française, eines Kammermusikmorgens voller französischem Charme. «Französische Musik ist nicht so kraftvoll und artikuliert wie deutsche Musik und nicht so virtuos-spritzig wie italienische», sagt der ZKO-Cembalist Naoki Kitaya, «dafür ist sie voller dezenter Farbtupfer und wahnsinnig emotionsreich.»

Wie Naoki Kitaya waren auch die Menschen im Barock fasziniert von nationalen Stilen. Und neben Abgrenzungsversuchen spielten natürlich auch gegenseitige Einflüsse eine Rolle. So präsentieren die Musiker am Kammermusikmorgen zuerst ein Werk von François Couperin «Le Grand», der in seiner Sammlung «Les Nations» das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ländertraditionen beleuchtete.

Danach spielen sie ein Werk Robert de Visées, bei dem Emanuele Forni an der Theorbe solistisch zu hören sein wird. Später nimmt der Musiker die Gitarre zur Hand, um den Solopart in Francesco Corbettas «Caprice de chacone» zu spielen. Corbetta war ein Lehrer de Visées und der einzige Italiener des Programms – als Gitarrenlehrer von Ludwig XIV. stand er jedoch ebenfalls unter Einfluss des französischen Hofs.

Beziehungen über die Landesgrenzen hinweg gibt es auch bei Jean-Philippe Rameau: Er inspirierte unter anderem den jungen Mozart. Obwohl Rameau selbst in der Nachfolge grosser Komponisten wie François Couperin stand, entwickelte er einen ganz eigenen Stil und wagte manche Experimente. In seinen «Pièces de clavecin en concerts» etwa nimmt das Cembalo nicht die übliche Rolle eines begleitenden Generalbasses ein, sondern ist das eigentliche Soloinstrument.

Zum Schluss hört das Publikum ein weiteres Schüler-Lehrer-Paar: Jean-Marie Leclair wurde vom nur zwei Jahre älteren André Chéron unterrichtet. Von Leclair ist heute nicht nur sein virtuoses Geigenspiel in Erinnerung, sondern auch sein mysteriöser Tod. Bis heute weiss niemand genau, wer ihn damals mit 67 Jahren erstochen hatte.

André Chérons wundervolle Passacaille wird laut Naoki Kitaya viel zu selten aufgeführt. Sie beginnt mit einem überraschenden Akkord – «ich hoffe, das Publikum wird da bereits den Atem anhalten», so der Cembalist. sp

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