Gemeinsam mit dem ZKO und Daniel Hope begibt sich Marc Lachat mit seiner Oboe auf die Suche nach Bach und seiner Zeit.

Die Konzerte für Oboe von Johann Sebastian Bach sind in Wahrheit musikhistorische Kriminalfälle. Sie existieren lediglich als Fragmente und sind in ihrer heutigen Schönheit nichts anderes als anhand
von Indizien rekonstruierte Musik.

So ist im d-Moll-Konzert BWV 1059R nicht einmal klar, ob Bach dieses Stück überhaupt für Oboe vorgesehen hat. Diese Vermutung legt allein der Tonumfang des Solistenparts nahe. Er ist für eine Violine zu gering und liegt eine Oktave tiefer, als wenn es sich z.B. um ein Violakonzert handeln würde. Ausserdem würde das Soloinstrument dafür zu häufig von der Orchesterbegleitung verdeckt. Fakt ist, dass von diesem Konzert nur ein neuntaktiges Fragment mit der Angabe «Cembalo solo, una Oboe, due Violini, Viola, e Cont.» erhalten ist. Inzwischen hat sich die Version des Konzerts für Oboe eingebürgert – und feiert als solche auch virtuose Erfolge. Selbst wenn es noch immer Zweifel an der Oboentheorie gibt, besonders, was die ununterbrochenen Sechzehntelbewegungen im 3. Satz der Cembalofassung angeht: Sie würden einem Oboisten im Original kaum Möglichkeit zum Atmen lassen.

Ebenso unsicher wie bei BWV 1059R ist die musikhistorische Situation beim d-Moll-Konzert BWV 1060 – und das, obwohl es sich längst als eines der beliebtesten Oboenkonzerte durchgesetzt hat. Doch auch hier handelt es sich lediglich um eine Rekonstruktion, da die Originalversion des Konzerts verschollen ist. Musikwissenschaftler gehen davon aus, dass die eigentliche Fassung in Köthen oder in Bachs frühen Leipziger Jahren entstanden ist. Sicher ist, dass die virtuosen Soli und der aus drei Sätzen bestehende Aufbau mit den wechselnden Tempi den Einfluss des italienischen Barock à la Antonio Vivaldi widerspiegeln.

«Ich liebe den expressiven Klang der Oboe. Sie tönt nie flach, sondern immer sehr lebendig.»

Der Oboist Marc Lachat wird diese ersten beiden Konzerte als Solist interpretieren. Lachat ist seit 2017 festes Mitglied des Zürcher Kammerorchesters und spielt parallel im Sinfonieorchester Basel. Eigentlich begeistern den Oboisten, der am Pariser Konservatorium studierte, besonders die Sinfonien Beethovens und Brahms’. Privat hört er auch gern mal elektronische Musik. Die Musik Bachs wirft ihn auf die Reinheit seines Instruments zurück, welches Lachat immer wieder an die menschliche Stimme erinnert. «Ich liebe den expressiven Klang der Oboe», sagt er. «Sie tönt nie flach, sondern immer sehr lebendig.»

Auch der Music Director des Zürcher Kammerorchesters, Daniel Hope, vergleicht das gelungene Geigenspiel gern mit der Kunst der menschlichen Stimme und ihrem natürlichen Atem. Mit Bachs a-Moll-Konzert spielt er eines der vielleicht schönsten Violinkonzerte überhaupt.

Einen Rückblick auf die Zeit Bachs stellt schliesslich die Komposition «Aus Holbergs Zeit» des Norwegers Edvard Grieg dar. Zum 200. Geburtstag des Dichters Ludvig Holberg komponierte er eine Suite, die sich an die Tanz- und Liedformen des 18. Jahrhunderts anlehnt. «Aus Holbergs Zeit» ist ein Werk, das viele in seiner Schönheit und Bedeutung mit der bekannten «Peer-Gynt-Suite» des Komponisten vergleichen. ab

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