Der Geiger und Dirigent Fabio Biondi und das ZKO entführen in die Welt Italiens zur Zeit Mozarts.
Mozart war 14 Jahre jung, als er das erste Mal nach Italien reiste. In jenes Land, in dem der Umbruch vom Barock zur Klassik bereits begonnen hatte, in dem das musikalische Leben florierte – und wo der junge Komponist auf Aufmerksamkeit hoffte. Die Italien-Reise dauerte, mit einer kurzen Unterbrechung, insgesamt drei Jahre. Gemeinsam mit seinem Vater besuchte Mozart alle grossen Städte und stellte seine Werke vor, nahm aber auch Kompositionsunterricht bei den italienischen Meistern.
Der italienische Geiger und Dirigent Fabio Biondi hat sich intensiv mit der Musik Italiens im späten 18. Jahrhundert auseinandergesetzt und immer wieder nach deutschen Einflüssen auf die italienische Musikkultur und andersherum gesucht. Mozarts erste beiden Italienreisen sind dafür die vielleicht besten Knotenpunkte. So stellt Biondi, der das Ensemble «Europa Galante» gegründet und mit seiner Barockvioline mit Legenden wie Jordi Savall, Philippe Herreweghe oder Marc Minkowski musiziert hat, gemeinsam mit dem ZKO ein Programm rund um das musikalische Leben in Mailand vor. Im Fokus stehen Werke der 1770er-Jahre, wie Mozart sie wahrgenommen haben muss. Gleichzeitig zeigt Biondi auch Mozarts Verarbeitung der italienischen Musik in dreien seiner Sinfonien.
«‹La tempesta di mare› vereint italienische Dramatik mit deutschem Sturm und Drang.»
Seiner Schwester schrieb Mozart im August 1770 aus Italien: «Unterdessen habe ich schon vier italienische Sinfonien komponiert.» Darunter fällt sowohl die Sinfonie Nr. 10, nach deren erstem Satz Mozart das Gotteslob «Finis Laus Deo» notiert hatte, als auch die Sinfonie Nr. 11. Beide Werke ähneln der typischen italienischen Ouvertüre, wie Mozart sie in Italien sicherlich oft gehört hat. In seinen Sinfonien verbindet Mozart seine Kompositionserfahrungen aus Salzburg mit den neuen Eindrücken aus Italien, wobei er sich besonders durch die radikalen Stimmungswechsel innerhalb der klaren kompositorischen Form inspirieren liess. Für ihre schwungvollen Finale waren die Sinfonien in Italien ebenso bekannt – und so verfügt auch die Sinfonie Nr. 13, die Mozart 1771 im Mailand komponierte, über ein solches. Das Stück wurde wahrscheinlich im Haus von A.M. Mayer, des Verwalters der königlichen Privatschatulle von Erzherzog Ferdinand, uraufgeführt.
Um diese Sinfonien zu verstehen und einordnen zu können, lassen Biondi und das Zürcher Kammerorchester auch Werke jener Komponisten hören, die Mozart inspiriert haben und die Mozarts Auftritte in Mailand zum grossen Teil selbst miterlebten. Carlo Monza sticht dabei besonders heraus. Er war der wohl bekannteste Komponist Mailands und prägte das Opernleben der Stadt mit über zwanzig erfolgreichen Werken. Fabio Biondi verhalf Monzas Komposition «La tempesta di mare» mit seiner Wiederentdeckung einst zu neuem Leben. Sie diente eigentlich als Ouvertüre zur Oper «Ifigenia in Tauride» und vereint italienische Dramatik mit deutschem Sturm und Drang.
Monza war, wie viele andere Komponisten auch, Schüler des Mailänder Meisters Giovanni Battista Sammartini. Dieser war Kapellmeister in der Kirche Sant’Ambrogio und erlebte am Ende seines Lebens noch die Mailänder Auftritte Mozarts. Dabei konnte er feststellen, wie sich Mozart an seinen italienischen Sinfonien orientiert hatte, unter anderen auch an der Sinfonia in G-Dur.
Sammartinis Werke wurden oft gemeinsam mit den Kompositionen von Antonio Brioschi aufgeführt, auch er eine Mailänder Musikgrösse. Brioschi steht für den Übergang vom Barock in die Mailänder Frühklassik. Seine Werke wurden schnell zu europäischen Exportschlagern, die unter anderem in London und Paris begeistert aufgenommen wurden. Immer wieder also zeigt dieses Programm, in dem auch noch das Concerto in Es-Dur von Angelo Maria Scaccia erklingt, wie klein das Europa der 1770er-Jahre wurde, wie internationale Stile miteinander verschmolzen und wie sich die Frühklassik überall in Europa aus dem italienischen Barock entwickelte. ab
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