Der Pianist Jan Lisiecki, der Trompeter Tamás Pálfalvi und das Zürcher Kammerorchester suchen die Zwischenwelten bei Schostakowitsch, Bach und Beethoven.

Die Zeiten waren nicht lustig. Und Dmitri Schostakowitsch bekam das zu spüren: Stalins Kulturpolitik basierte auf Verunsicherung; selbst positive Kritiken schlossen spätere Repressalien nicht aus. Alles, was Künstler dieser politischen Willkür entgegensetzen konnten, war kluge Ironie. 1933 hatte Schostakowitsch seine brutale und vollkommen humorfreie Oper «Lady Macbeth von Mzensk» vollendet – danach begann er die Arbeit an seinem Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester. Er selbst nannte es eine «spöttische Herausforderung an den konservativ-seriösen Charakter des klassischen Konzert-Gestus». Das Stück eröffnet mit einem Zitat aus Beethovens «Appassionata». Doch dann schlägt es vollkommen unerwartete Bahnen ein und führt den Zuhörer an der Nase herum. Wohl kein Komponist der Stalin-Zeit hat derart ernste, aber auch doppelbödig-ironische Stücke vertont wie Schostakowitsch. Viele klingen, als wäre die turbulente Welt, die Schostakowitsch umgab, mitten in die Partitur geraten. Dem absurden Weltzirkus hat Schostakowitsch auch in seinem Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Töne gegeben – die Trompete in dieser schrillen Manege bläst beim Konzert am 19. Mai der junge Ungar Tamás Pálfalvi.

«Alles, was Schostakowitsch der politischen Willkür entgegensetzen konnte, war kluge Ironie.»

Die bei Schostakowitsch anklingenden Doppelbödigkeiten und Zwischenwelten sind auch die Heimat des kanadischen Pianisten Jan Lisiecki. Gerade wird er für seine Einspielungen sämtlicher Klavierkonzerte Beethovens gefeiert – auch sie: unprätentiös und dennoch gewichtig, spielerisch und gleichsam todernst. Lisiecki ist ein Pianist, der kein Aufheben macht, bei dem es so scheint, als würde er nur spielen wollen, und dennoch: Sein Spiel strahlt stets die geplante Leichtigkeit des Seins aus.

So passt es vielleicht, dass das Konzert des ZKO mit Beethovens «Quartetto serioso» in der Streichorchester- Version von Gustav Mahler schliesst. Es ist das letzte der sogenannten mittleren Quartette Beethovens und bereits ein Vorgeschmack auf jene Musik, die er noch schreiben sollte. Beethoven kam es darin nicht mehr unbedingt darauf an, den Geschmack des Publikums seiner Zeit zu treffen, er widmete sich stattdessen immer mehr dem harmonischen Experiment. Das «Quartetto serioso» hat er dem Cellisten Nikolaus Zmeskall von Domanovecz gewidmet, der ihm in enttäuschten Liebesdingen zur Seite stand. Als der sich mit einer Kiste ungarischen Weins für die Widmung bedankte, schrieb Beethoven ihm wütend zurück: «Lieber Z! Sie haben (…) mein reines aufrichtiges Werk entstellt. Sie sind nicht mein Schuldner, sondern ich der Ihrige, und jetzt haben Sie mich nur noch mehr dazu gemacht, ich kann nicht schreiben, wie weh mir dieses Geschenk thut.»

«Sein Spiel strahlt stets die geplante Leichtigkeit des Seins aus.»

Zu Beethoven und Schostakowitsch treten zwei Werke Johann Sebastian Bachs. Sein Klavierkonzert in d-Moll ist ein Meisterwerk der Pianomusik, über dessen Entstehung nur wenig bekannt ist. Von den Brandenburgischen Konzerten weiss man hingegen, dass Bach sie für den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt geschrieben hat. Das dritte dieser Konzerte ist für neun Streichinstrumente und Basso Continuo gedacht. Ebenso wie das erste Konzert folgt es den Formen der italienischen Ouvertüre mit Konzertsatz, langsamem Mittelsatz und finalem Tanz.

Jan Lisiecki und Tamás Pálfalvi – zwei junge Musiker, die sich von der Kraft eines Beethovens, Schostakowitschs und Bachs anstecken lassen und so gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester einen Abend gestalten, der zwischen Ernst und Schalk, Leidenschaft und Leichtigkeit zu leuchten beginnt. ab

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