Rudolf Buchbinder spielt gemeinsam mit dem ZKO Klavierkonzerte von Mozart und Haydn. Welche Gemeinsamkeiten die beiden Komponisten verbinden und was Jazzkneipen mit Mozarts Musik zu tun haben, darüber spricht der Pianist im Interview.
Rudolf Buchbinder, in Zürich stellen Sie zwei Klavierkonzerten von Mozart eines von Haydn voran. Wer hat eigentlich wen beeinflusst: Haydn Mozart oder andersherum?
Das ist die ewige Frage nach der Henne und dem Ei, die bereits Nikolaus Harnoncourt gestellt hatte. Ich persönlich glaube, dass die Freundschaft zwischen Haydn und Mozart für beide Seiten beflügelnd war. Es war eine historisch seltene Konstellation, in der sich zwei Genies getroffen haben.
«Die Freundschaft zwischen Haydn und Mozart war eine historisch seltene Konstellation.»
Warum haben Sie gerade das D-Dur-Konzert von Haydn ausgewählt?
Weil es für unseren derzeitigen Konzertalltag zehn Minuten zu kurz ist, meiden es viele meiner Kollegen. Dabei ist es ein so unglaublich tolles und spannendes Werk, und ich versuche, es so oft wie möglich in meine Programme mitaufzunehmen. Gerade in Kombination mit den beiden Mozart-Konzerten stellt es für mich die perfekte Ouvertüre dar.
Es heisst, dass erst Beethoven die Formen seiner Zeit gesprengt habe. Aber ein wenig dieser Kraft können wir schon in Mozarts C-Dur-Konzert KV 467 hören, oder? Zum einen die Schläge gleich am Anfang, der Vorausblick auf Motive der Sinfonie in g-Moll Nr. 40 KV 550 – und dann dieses unglaubliche Andante, in dem die Zeit stehenzubleiben scheint …
Mozart hat die Grenzen seiner Zeit sicherlich gekitzelt. Aber es war dann tatsächlich erst Beethoven, der sie sprengte. Was ich faszinierend finde, ist die unglaubliche Intimität und Persönlichkeit, die in Mozarts Klavierkonzerten zu hören ist. Oft operieren Komponisten in ihrer Kammermusik besonders individuell. Bei Mozart ist das anders: Seine Sonaten und einen Grossteil seiner Kammermusikwerke hat er primär für andere Menschen geschrieben, sie waren Auftragswerke oder wurden in den Wiener Salons gespielt. Dafür hat er dann die Klavierkonzerte für sich allein komponiert und darin gezeigt, was er kann. Wenn man den individuellen und privaten Mozart hören will, bieten sich die Klavierkonzerte daher besonders an. Mit ihnen trat er als jener Musiker auf, der er wirklich sein wollte.
«In den Klavierkonzerten trat Mozart als jener Musiker auf, der er wirklich sein wollte.»
Welch einem Mozart begegnen wir denn da?
Zum einem natürlich einem sehr virtuosen Klavierspieler. Einem Musiker, der der eigenen Freiheit vertraute. Aber immer auch einem Menschen, der – und das eint ihn mit Haydn – unglaublich viel Humor hatte. Achten Sie nur auf die «Marseillaise»- Zitate in KV 503. Manchmal denke ich – und das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint –, dass diese Beschwingtheit auch daher rührte, dass man zu Mozarts und Haydns Zeit aufgrund der schlechten Wasserqualität wesentlich mehr Alkohol getrunken hatte als heute. So wurde etwa am Hofe der Esterházys bereits am Morgen irgendein alkoholisches Getränk gereicht. Aber jetzt wieder ernsthaft: Bei Mozart liegt das Humorvolle sehr nahe beim Melancholischen, das Lachen und das Weinen bedingen sich gegenseitig. Auch das ist in KV 503 besonders gut zu hören. Ich bin der festen Überzeugung, dass Musik, wie Mozart sie komponiert hat, nur entstehen konnte, weil ihm bewusst war, dass er nicht sehr lange leben wird. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein so junger Mensch diese existenzielle und grossartige Musik in so kurzer Zeit schreiben konnte.
«Mozart zeigt den Menschen mit all seinen Schwächen und erteilt ihm gleichzeitig die Absolution.»
Sie meinen, bei Mozart steht das volle Leben immer im Kontrast zum Bewusstsein des nahen Todes?
Könnte man so sagen. So hat er auch gelebt. Ich habe mir einmal seine Finanzen angeschaut: Mozart hat nie wenig Geld verdient, es aber stets zum Fernster hinausgeworfen. Seine Laster waren kostspielig: Er sammelte Spielschulden an und schrieb Bettelbriefe an seine Freunde. Ausserdem werden ihm zahlreiche Liebesabenteuer nachgesagt. Von all diesen Schwächen erzählt auch seine Musik, besonders in den Opern: Mozart zeigt den Menschen mit all seinen Fehlern und erteilt ihm gleichzeitig die Absolution.
Auf den ersten Blick sieht seine Musik sehr simpel aus. Nehmen wir den 2. Satz von KV 467: Andauernde Triolen in der linken, eine eingängige, einfache Melodie in der rechten Hand. Trotzdem gelingt es nur wenigen Musikern, diesen Satz zum Schweben zu bringen. Was ist Ihr Mozart-Geheimnis?
Der Swing! Ich bin in meinen frühen Jahren oft in Jazzkneipen aufgetreten, und ich sehe durchaus Parallelen zu Mozarts Musik. Im zweiten Satz von KV 467 hat man in der Linken quasi das Metronom, das möglichst genau schlagen sollte. Spannend wird es in der Rechten, in der man in der Melodie durchaus frei sein darf, also aus dem Korsett der starren Rhythmik ausbrechen kann. Einziges Gesetz ist es, auf der Eins mit beiden Händen wieder mehr oder weniger im Rhythmus zu sein. Der zweite Satz von KV 467 erklärt Mozart eigentlich sehr gut: Er baut ein sehr klares, unverschnörkeltes Werk, das aber von jedem Interpreten fordert, ihm Leben einzuhauchen. Mozart verlangt von uns Atem und ja, Swing – erst dann beginnt seine Musik zu leben. ab
Dieses Interview lesen Sie auch im aktuellen OPUS.