Weltklasse-Solisten laden zu einer Reise durch ein exaltiertes Zeitalter ein – und intonieren unterschiedliche Formen der Sinnlichkeit des Barock.

Daniel Hope Group (c) Tibor Bozi

Mit dem Barock begann die Welt zu tanzen. Ganz Europa kam in Bewegung. Die Formen der Gesellschaft, aber auch der Musik, wurden entfesselt. Auf Grundlage des Generalbasses entstanden plötzlich schillernde Figuren, dekorative Melodien, exponierte Themen. Die exzentrische Lebenslust und das Leid der Menschen brachen sich Bahn, die ganz grossen Gefühle drangen in die Welt und fanden besonders in der Musik ihren Ausdruck. Das Zeitalter des Barock ist das Zeitalter der pompösen Höfe, an denen die Sinnlichkeit, das Essen, der Tanz, die Erotik, der Duft des Parfums zu Hause waren. Es ist das Zeitalter, in dem der Mensch seine Auseinandersetzung mit strengen, antiken Formen in der Renaissance verliess, sich im Tanz befreite und das eigene Ich feierte.

«Die ganz grossen Gefühle drangen in die Welt und fanden besonders in der Musik ihren Ausdruck.»

Genau diese Lebenshaltung ist im Konzert in der Tonhalle Maag zu spüren. Immerhin steht diese Saison unter dem Motto der menschlichen Sinne. Und kaum ein Zeitalter war derart sinnlich wie das Barock: Gerüche, Berührungen, Bewegungen und Geschmäcke überfluteten die Menschen. Das beeindruckte natürlich auch die Komponisten. Sie versuchten, in ihren Klängen alle Sinne miteinander schwingen zu lassen. Auch holten sie sich Inspiration bei ihren Nachbarn: Im Barock ist Europa kleiner geworden. Nationale Stile aus Italien, Frankreich, Deutschland und England beeinflussten sich gegenseitig, und in unterschiedlichen Ländern entstanden immer wieder neue Moden.

Das Konzert «A Baroque Journey» mit Daniel Hope und Simos Papanas an der Geige, Nicola Mosca am Cello, Emanuele Forni an der Theorbe, Naoki Kitaya am Cembalo und Michael Metzler als Perkussionist führt das Publikum durch eine Welt der Gerüche und Bewegungen, an Königshöfe und auf die Strassen Europas. So entsteht das Klangbild eines Zeitalters, in dem der gottesfürchtige Mensch das Leben auf Erden in ein Paradies verwandeln wollte.

«Kaum ein Zeitalter war derart sinnlich wie das Barock: Gerüche, Berührungen, Geschmäcke überfluteten die Menschen.»

Der Geiger Nicola Matteis soll aus seiner Heimat Italien zu Fuss, mit dem Instrument auf dem Rücken, bis nach Deutschland gereist sein, bevor er in England grosse Erfolge feierte. Seinen Ursprung hat das Barock allerdings in Italien. Diego Ortíz war ein spanischer Komponist, der aber hauptsächlich am Hofe von Neapel für Sinnlichkeit sorgte und später auch den Lautenspieler, Sänger und Komponisten Andrea Falconieri beeinflusste. Auf der Reise durch das Barock lernt das Publikum ausserdem den Geiger und Komponisten Marco Uccellini kennen. Dieser wurde besonders für seine Opern, die er allesamt in Parma geschrieben hat, gefeiert. Seine «Aria sopra la Bergamasca» illustriert italienisches Lebensgefühl und die ausgefeilte Verzierungskunst des Barock. Antonio Vivaldi, der «Rote Priester» aus Venedig, bündelte schliesslich die Errungenschaften des italienischen Barock in seiner Musik: Dramatik, Komplexität und Eingängigkeit. Von ihm steht das Konzert in c-Moll für zwei Geigen und Streicher auf dem Programm.

Natürlich wären auch die pompösen französischen Königshöfe nicht ohne Musik zu denken. Hier wurden ausschweifende Feste gefeiert und zahlreiche Tänze aufgeführt. Einer der bekanntesten Geiger Frankreichs war Jean-Marie Leclair, der unter anderem für die Sinnlichkeit am Hofe von Ludwig XV. sorgte.

In Deutschland rangen die Musiker noch mit den Ausläufern der Reformation. Der Geiger Johann Paul von Westhoff war einer der bekanntesten Musiker seiner Zeit. Er unterrichtete August den Starken in unterschiedlichen Sprachen und prägte die Anfänge der Staatskapelle in Dresden. Die Blütezeit des Barock hat natürlich Georg Friedrich Händel, ebenfalls ein europäischer Globetrotter, vertont. Dessen «Sarabande» ist Inbegriff barocken Lebensgefühls: eine schwebende, sich endlos bewegende Melodie der Melancholie.

All diese Einflüsse, Entwicklungen und gegenseitigen Querverweise stellt das Konzert «A Baroque Journey» ins Zentrum und gibt so Einblick in eine der spannendsten musikalischen Epochen. Die Solisten dieses Konzerts kennen alle Facetten der barocken Musik. Neben dem ZKO-Music-Director Daniel Hope wird der griechische Geiger Simos Papanas zu hören sein. Die beiden musikalischen Freunde teilen sich das Konzertpodium. Ausserdem wird der italienische Cellist Nicola Mosca aufspielen, ebenso wie der Theorbe-Spieler Emanuele Forni, der sich in seiner musikalischen Arbeit immer wieder mit der Musik der noblen Höfe und der Strasse auseinandergesetzt hat. Der japanische Cembalist Naoki Kitaya gehört zu den Besten seines Fachs, und der Schweizer Perkussionist Michael Metzler kreist in seiner Arbeit oft um ferne ethnische Kulturen. All diese Musiker kommen also mit ihrem je ureigenen Blick auf das Barock zusammen und beweisen, dass die Musik alle Sinne in Bewegung versetzen kann. ab

Den vollständigen Beitrag lesen Sie auch im aktuellen OPUS.

BEITRAG TEILEN