Enrico Onofri begibt sich gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester auf die Spuren der Stars des Barock, die von Italien nach England reisten.

Den Einfluss Georg Friedrich Händels auf das Musikleben Europas kann man gar nicht überschätzen. Während der Komponist aus Halle in London zum Star wurde, bekam er immer wieder Besuch aus Deutschland und aus Frankreich, vor allen Dingen aber aus Italien. Und um diese Achse geht es dem Geiger Enrico Onofri nun in seinem Programm mit dem Zürcher Kammerorchester: Nach der Ouvertüre zu Händels Oper «Theodora» werden die Musiker ein Panoptikum jener Komponisten entfalten, die aus Italien nach England reisten, um sich dort inspirieren zu lassen oder die Musikszene der englischen Hauptstadt mit ihrem italienischen Stil zu bereichern.

Enrico Onofri (c) Koichi Miura

Der Geiger Enrico Onofri gilt als einer der klügsten Barock-Experten überhaupt. Schon früh wechselte er zur Barock-Geige, spielte zunächst in der Capella Reial de Catalunya von Jordi Savall und trat immer wieder mit Nikolaus Harnoncourts Concentus Musicus Wien auf. Onofri, der seit 1987 erster Konzertmeister des Ensembles Il Giardino Armonico ist und im Jahre 2000 das Imaginarium Ensemble gegründet hat, stellt seit jeher Programme vor, die einen vollkommen neuen Blick auf die musikalische Landschaft des Barock werfen. Einer seiner Schwerpunkte ist dabei die Musik Vivaldis, der er gemeinsam mit Cecilia Bartoli in deren Album «Viva Vivaldi» ein Denkmal gesetzt hat.

«Onofri wirft einen vollkommen neuen Blick auf die musikalische Landschaft des Barock.»

Nun hält Onofri gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester Hof in London und empfängt italienische Musiker, die es, wenn wir sie denn nicht bereits kennen, zu entdecken lohnt. Einer von ihnen ist Alessandro Scarlattis Schüler Francesco Saverio Geminiani. Geminiani pflegte in Rom enge Kontakte mit Arcangelo Corelli, dessen Sonaten er immer wieder in Concerti grossi verarbeitet hat – die beiden vom ZKO aufgeführten Werke zeugen davon. Bei einem Aufenthalt in London wurden Geminiani und seine Werke gefeiert, er selbst aber auch despektierlich als «Meister der musikalischen Kochkunst» bezeichnet, denn oft machte sich der Komponist die Ideen anderer in kongenialer Art und Weise zu eigen. Gemeinsam mit Händel konzertierte Geminiani am englischen Hof, bevor er sich in Dublin niederliess: Der Plan, dort eine Musikzeitschrift herauszugeben, scheiterte, und der Musiker war gezwungen, weiterhin als Geiger aufzutreten und sich als Kunsthändler einen Namen zu machen, der mit zahlreichen Meistern der bildenden Kunst befreundet war. Nach Geminianis Tod wurde sein Leichnam aus England wieder an seinen Geburtsort Lucca zurückgeführt.

«Onofri stellt italienische Musiker vor, die wir vielleicht nicht immer kennen, deren Entdeckung sich aber lohnt.»

Als «Londoner Sammartini» machte sich Giuseppe Sammartini einen Namen. Ihm gelang der Durchbruch unter Georg Friedrich Händel am King’s Theatre, wo er als Oboenvirtuose auftrat. Seine eigenen Kompositionen sind ungezügelt und «voller Feuer», wie seine Zeitgenossen lobten. Allerdings gelang Sammartini zu Lebzeiten nie der ganz grosse Wurf. Viele seiner Werke wurden erst nach seinem Tod entdeckt und ausgegraben. Gerade für die historisch informierte Aufführungspraxis wurde Sammartini zu einem Komponisten, dessen Werk immer wieder neu befragt wurde.

Bekannter als Giuseppe Sammartini war sein jüngerer Bruder Giovanni Battista Sammartini, der «Mailänder Sammartini». Er schrieb mehr als 70 Sinfonien und gilt als einer der Väter des Streichquartetts, mit dem er Mozart beeinflusste. Giovanni Battista Sammartini schrieb ausserdem drei Opern und war Lehrer von Christoph Willibald Gluck, den er musikalisch inspirierte.

1740 erhielt auch der in Venedig geborene Opern-Komponist Baldassare Galuppi eine Einladung nach London. Während Händel sich immer wieder abfällig über Galuppis Musik äusserte, fanden seine Opern beim Publikum grossen Beifall – sie wurden auch dann noch in London gespielt, als Galuppi wieder in Venedig war, wo er an der ehrwürdigen Capella Ducale von St. Markus arbeitete. Galuppi galt als Wegbereiter der Opera buffa, die er mit unglaublicher Leichtigkeit in Szene setzte und mit der er Haydn, Mozart und Rossini inspirieren sollte. Er war einer der prominentesten Komponisten Italiens und galt als ehrwürdiger Meister, was auch mit seinem Auftreten zusammenhing: Trotz seiner kleinen Körpergrösse galt Galuppi als Grandseigneur. Damals wie heute sind seine Konzerte weniger bekannt als seine Opern. Grund genug für das Zürcher Kammerorchester, sein drittes Konzert in D-Dur aufzuführen.

Weniger Erfolg als Galuppi war dem in Lucca geborenen Francesco Barsanti in England beschieden. Er kam 1714 nach London, spielte dort zunächst Oboe und Flöte in verschiedenen Opernorchestern, bis er eine Stellung bei einem Adeligen in Schottland fand. Obwohl Barsanti nie der grosse Durchbruch gelang und er verarmt als Bratschist in London starb, strahlen seine Werke bis heute eine grosse Lebendigkeit aus.

Mit ihrem Programm lassen Enrico Onofri und das Zürcher Kammerorchester all diese unterschiedlichen Komponisten vortreten und erwecken so das Zeitalter zum Leben, in dem das Barock zu blühen begann. ab

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