Mit Sir Roger Norrington und Robert Levin nehmen sich zwei eingefleischte Experten Mozarts Musik vor – und lassen dabei ganz unterschiedliche Stimmungen hören.

Sir Roger Norrington (c) Manfred Esser

Was der Ehrendirigent des Zürcher Kammerorchesters, Sir Roger Norrington, und der US-amerikanische Pianist Robert Levin im Pfauen auf die Bühne bringen, ist mehr als nur ein Mozart-Konzert. Sowohl der Dirigent als auch der Pianist haben sich ein Leben lang mit den Werken des Komponisten auseinandergesetzt, mit dem Menschen und Musiker Mozart, mit seiner Zeit und den Strukturen seiner Werke.

Sir Rogers lustvoll-strenge Mozart-Exegese ist dem Zürcher Publikum aus seiner Zeit als Chefdirigent des ZKO bekannt: Sein vibratoloser, historisch informierter Ansatz hat weltweit für Aufhorchen gesorgt. Und auch Robert Levin hat sich intensiv mit Mozart beschäftigt: Der Pianist, Musikpädagoge und Musikwissenschaftler, der unter anderem bei Nadia Boulanger in Paris Komposition studiert hat, spielte die Mozart-Klavierkonzerte unter Leitung von Christopher Hogwood ein und rekonstruierte zahlreiche Werke des Komponisten. Für grosses Aufsehen sorgte seine Komplettierung des Mozart-Requiems, das 1991 von Helmuth Rilling aufgeführt wurde.

Im Zürcher Pfauen stellen die beiden Ausnahmemusiker nun gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester die vielfältigen und zutiefst unterschiedlichen Seiten des Komponisten vor. Den Anfang macht dabei das sogenannte «Nannerl-Septett». Es ist die vielleicht lebensfrohste Musik, die Mozart je geschrieben hat. Gleichzeitig ist sie, wenn man so will, auch eine Charakterstudie, die uns jenen Komponisten hören lässt, als den wir Mozart so gern sehen wollen: als Vollblut-Musikanten, der sich von der Lebendigkeit der Salzburger Volksmusik anstecken lässt, der die verschiedenen, zu seiner Zeit modernen Stile ironisch bricht, den Marsch in eine Maskerade verwandelt, die französische Musik ad absurdum tanzen lässt und für das furiose Finale ganz besondere Überraschungen bereithält. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie Mozart beim Schreiben über seine eigenen Inspirationen schmunzelte. Als Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle hatte Mozart wahrscheinlich mehr im Sinn, als mit diesem Werk den Namenstag seiner Schwester Maria Anna, genannt Nannerl, zu ehren. Nicht auszuschliessen, dass ihm bereits eine weitere Verwendung des äusserst schwungvollen und mit Verwandlungen spielenden Septetts in der Karnevalsaison vor Augen schwebte. Vor allen Dingen aber schien er anzustreben, dass sich die Musiker beim Spielen prächtig amüsierten.

«Die ‹Posthorn-Serenade› ist ein Werk, in dem der Abschied eine wesentliche Rolle spielt.»

Ganz anders das A-Dur-Klavierkonzert, das Mozart 1786, 10 Jahre nach dem «Nannerl-Septett» und parallel zu seiner Oper «Die Hochzeit des Figaro», fertigstellte. In diesem heute wohl beliebtesten Klavierkonzert Mozarts ist bereits der späte und reife Komponist zu hören, der mit seinen sinfonischen Klavierkonzerten Beethoven am Horizont durchscheinen liess. Obwohl das A-Dur-Konzert eher kammermusikalisch orchestriert ist (ohne Trompeten und Pauken), gilt es trotzdem als Inbegriff des klassischen Klavierkonzerts, mit dessen Formen Mozart hier experimentiert: Im ersten Satz nehmen die verschiedenen Bestandteile der Sonatensatzform etwa gleich viel Raum ein, in der Reprise webt Mozart dann die Entwicklung seiner Ideen ein – ein Mittel, das in der Romantik stilprägend werden sollte. Auch die innere Einheit der Sätze ist neu und verweist bereits auf die Zukunft.

Robert Levin (c) Clive Barda

Zwischen «Nannerl-Septett» und dem A-Dur-Klavierkonzert entstand 1779, noch in Salzburg, die sogenannte «Posthorn-Serenade», das wahrscheinlich letzte Werk, das Mozart in seiner Heimatstadt geschrieben hatte, bevor er nach Wien ging. Ein Werk, in dem der Abschied eine wesentliche Rolle spielt: Mozart komponierte es für die Studenten der Salzburger Universität, die es bei ihrem Studienabschluss als «Finalmusik» aufführten. Virtuos setzt Mozart in diesem Werk die Solopassagen für Flöte und Oboe in Szene, und im zweiten Trio erklingt das bekannte Solo für Posthorn, das dem Werk seinen Titel gab.

Sir Roger Norrington und Robert Levin werden mit diesen drei Stücken die unterschiedlichen Ausdrucksformen Mozarts vorstellen, den ausgelassenen
Komponisten im «Nannerl-Septett», den virtuosen Komponisten, der gezielt für besondere Anlässe komponierte, wie mit seiner «Posthorn-Serenade», und den ausgereiften Musiker, der mit seinem A-Dur-Klavierkonzert bereits die Epoche der Romantik vorausahnen liess. ab

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