Zur Saisoneröffnung durchwandern Daniel Hope, der Bratschist Amihai Grosz und das Zürcher Kammerorchester Welten aus Licht und Dunkelheit. Wegweisend sind dabei die Ohren …
Dunkelheit oder Licht, Mond oder Sonne, Nacht oder Tag – das Voranschreiten eines Tages verändert auch die Stimmung des Menschen. Tagsüber werden unsere Sinne vollkommen anders angesprochen als am Abend oder in der Nacht: Es sind andere Gerüche, die uns umgeben, andere Geräusche, die wir hören… Kein Wunder, dass wir Tag- von Nachtmusik sofort unterscheiden können. Die Tageszeiten rahmen auch das Eröffnungskonzert der neuen Saison in der Tonhalle Maag ein, bei dem das Zürcher Kammerorchester gemeinsam mit seinem Music Director Daniel Hope und dem ersten Solo-Bratschisten der Berliner Philharmoniker, Amihai Grosz, auftreten wird. Bei diesem Eröffnungskonzert legt das Zürcher Kammerorchester den Fokus ganz auf den Hörsinn, der uns durch alle Tageszeiten hindurch begleitet, seine grösste Kraft aber in völliger Dunkelheit entfaltet.
«Dvorák war zeitlebens ein Meister für Stimmungsbilder in Klängen.»
Der Abend beginnt in der tiefen, stillen, vielleicht monderleuchteten Nacht des Komponisten Antonín Dvorák. Eine neunminütige musikalische Dunkelheit, in der die Zeit stehen zu bleiben scheint. Ein Moment, in dem sich das Publikum ohne Ablenkung ganz auf den Hörsinn einlassen kann. Dvorák legte die Nocturne in H-Dur op. 40 eigentlich als langsamer Satz seines 4. Streichquartetts an. Dem Komponisten gefiel die schwebende Spannung, die er in Tönen geschaffen hatte, allerdings so gut, dass er sie zu einer eigenen Nocturne verwandelte. Der tschechische Komponist war zeitlebens ein Meister für Stimmungsbilder in Klängen.
Ein Meister der Dunkelheit ist auch der Komponist Max Bruch. Hauptsächlich in Bonn und Berlin tätig, ist Bruch heute vor allen Dingen für sein erstes Violinkonzert bekannt, aber seine Musik, besonders seine Kammermusik, entwickelt einen vollkommen eigenen Stil: eine andauernde Irritation der Stimmen, eine Suche nach Einheit, eine schwebende Zwischenwelt.
Das Doppelkonzert, ursprünglich für Klarinette und Viola geschrieben, entstand spät in seiner Karriere. Obwohl es atonal angelegt ist, entwickelt es einen romantischen Rausch mit zahlreichen Bezügen zum Klangbild von Johannes Brahms. Im Vordergrund steht die Ähnlichkeit der beiden Solo-Instrumente. In Zürich ist es in einer Fassung für Streichorchester und in der Version für Geige und Viola zu hören.
«Mit Tschaikowskys Streichsextett reist das Zürcher Kammerorchester am Ende der Saisoneröffnung ins Licht.»
Am Ende der Saisoneröffnung reist das Zürcher Kammerorchester schliesslich ins Licht. 1890 hielt sich der russische Komponist Pjotr Iljitsch Tschaikowsky in Florenz auf. Hier schrieb er unter anderem seine Oper «Pique Dame», erhielt in der Sonne Italiens aber auch die Inspiration zu seinem Streichsextett in d-Moll op. 70 «Souvenir de Florence». Während der Komponist zeitlebens mit seiner Homosexualität rang und in seinem Werk eher triste und melancholische Töne anstimmte, gehört das Sextett zu den optimistischen Werken Tschaikowskys, bei denen das Licht immer wieder durch die Partitur bricht – Licht für die Ohren.
Neben Daniel Hope wird Amihai Grosz die Reise durch Nacht und Tag begleiten. Der Violaspieler aus Israel bekam seinen ersten Bratschenunterricht mit zwölf Jahren in Jerusalem, war Schüler von Tabea Zimmermann an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin und wurde schliesslich erster Solo-Bratschist bei den Berliner Philharmonikern. Gleichzeitig ist er in zahlreichen Kammermusikensembles tätig, darunter das Philharmonische Oktett. Er hat unter anderem gemeinsam mit Isaac Stern gespielt, mit Daniel Barenboim oder Yefim Bronfman. Als Solist konzertierte er mit dem Jerusalem Symphony Orchestra, dem Israel Chamber Orchestra, dem Münchener Kammerorchester, der Staatskapelle Berlin und vielen mehr. ab
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